Der deutsche Innenminister Thomas de Maizière sorgt mit seinem Vorschlag für mittleren Aufruhr, die Verfassungsschutzbehörden in den 16 Bundesländern abzuschaffen. Die Pläne zwecks besserer Abstimmung hat er nach dem Kooperationsdebakel im Fall des Berlin-Attentäters in einem Gastbetrag in der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» (FAZ) veröffentlicht. Vor allem die Länder reagieren harsch auf eine solche Reform der Sicherheitspolitik, aber auch die CSU und die SPD lehnen eine Zentralisierung ab.
SRF News: Ist die heutige Praxis angesichts internationaler Bedrohungen tatsächlich nicht mehr zeitgemäss, wie dies de Maizière kritisiert?
Heribert Prantl: Alle 16 Bundesländer haben ihren eigenen Verfassungsschutz. Bei kleinen Bundesländern wie Bremen oder Saarland sind das 50 bis 60 Leute. Sie sollen den Linksextremismus und Rechtsextremismus beobachten sowie Spionage verfolgen. Doch sie können das gar nicht, sitzen aber auf den Informationen. Jeder fühlt sich als König in seinem Reich, was der Grund für den grossen Wirrwarr ist. Dazu kommen der Bundesverfassungsschutz und der Militärische Abschirmdienst (MAD). Das sind also total 18 Inlandgeheimdienste.
Die Reaktionen der Bundesländer fallen scharf aus. Geht es ihnen ums Prinzip oder haben sie viel zu verlieren?
Die Länder haben eine für sie wichtige Behörde zu verlieren. In Bayern etwa wird der Verfassungsschutz als Ausweis für weiss-blaue Souveränität betrachtet, die man nicht aufgeben möchte. Schon gar nicht in einer Zeit, wo die CSU mit der CDU heftig im Clinch liegt. Es geht aber eigentlich nicht um Souveränität, sondern um Sicherheit, die der CSU ja an sich immer sehr wichtig ist. Sie wird also begründen müssen, warum das Durcheinander noch sicherheitsfördernd sein soll.
Was sind die Vorteile einer Abschaffung der Verfassungsschutzämter?
Der Vorschlag von de Maizière, so heftig er auch kritisiert wird, geht gar nicht weit genug. Denn für den Bereich der Extremismus- und Gewaltdelikte von Rechtsextremisten und von Islamisten gibt es nicht nur 16 Länderbehörden, Bundesverfassungsschutz und MAD. Dazu kommen die Staatsschutzabteilungen der Kriminalpolizeien und der Staatsanwaltschaften. Alle beschäftigen sich mit den gleichen Delikten.
Der Ansatz von de Maizière zur Zentralisierung ist damit zwar richtig, löst aber das Problem noch nicht ganz. Die Bekämpfung des gewalttätigen Extremismus' müsste in eine einzige Hand und das kann nur die Polizei sein. Dann gäbe es Fälle wie beim Berlin-Attentäter nicht, wo jede Behörde auf Informationen sass, diese als exklusiv betrachtete und keine vernünftige Kooperation zwischen den Sicherheits- und Ausländerbehörden bestand.
Was ist mit der historischen Trennung von Polizei und Verfassungsschutz in Deutschland?
Es ist fraglich, ob es diese Zweispurigkeit im Bereich des strafrechtlich relevanten Extremismus' tatsächlich braucht. Also einen Geheimdienst mit relativ beschränkter Kontrolle durch die Justiz sowie einen Staatsschutz bei der Polizei, die von der Justiz rechtsstaatlich gut überwacht wird. Man könnte den Bereich von Strafvorbeugung und Strafverfolgung auf die Polizei konzentrieren, beaufsichtigt von den Staatsanwaltschaften und der Justiz. Dann würde das grosse Durcheinander noch besser geordnet als mit dem Vorschlag von de Maizière.
Das Gespräch führte Stefan Kohler.