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Vergessener Konflikt Dieser Schweizer soll für Frieden in Kolumbien sorgen

Es ist einer der wohl längsten Konflikte der Welt: Der Konflikt in Kolumbien zwischen der Regierung und verschiedenen Rebellengruppen dauert schon 60 Jahre. Die Farc, die grösste Guerilla, hat 2016 ihre Waffen niedergelegt. Mit anderen Gruppen laufen Verhandlungen. Dabei vermittelt die Schweiz.

Es wird oft vergessen, doch obschon die grösste Rebellengruppe, die Farc, 2016 ihre Waffen niedergelegt hat: Acht bewaffnete Guerillas gibt es immer noch in Kolumbien. Mit einer Splittergruppe der Farc, der EMC-Farc, verhandelt die Regierung derzeit. Die Verhandlungen mit der selbsternannten nationalen Befreiungsarmee ELN liegen nach einem Angriff auf eine Militärbasis momentan auf Eis.

Luzerner sitzt bei Friedensverhandlungen mit am Tisch

Wenn verhandelt wird, sitzt Philipp Lustenberger mit am Tisch. Der Luzerner ist Sondergesandter der Schweiz für den Friedensprozess in Kolumbien. «Es ist kompliziert», sagt er. «Es gab anfänglich wenig Vertrauen zwischen den zwei Parteien. Aber die Präsenz von Staaten wie der Schweiz stärkt das Vertrauen der Parteien in den Prozess.» Die Schweiz ist zusammen mit Schweden, Spanien und Deutschland einer von vier Staaten, die den Friedensprozess begleiten.

Der kolumbianische Aussenminister begrüsst die Schweizer UNO-Botschafterin. Rechts dahinter: Philipp Lustenberger.
Legende: Diskreter Einsatz für den Frieden Der kolumbianische Aussenminister Luis Gilberto Murillo und Pascale Baeriswyl, die Schweizer Botschafterin bei der UNO in New York, geben sich die Hand. Rechts dahinter: Philipp Lustenberger. Zur Verfügung gestellt

«Am Verhandlungstisch selber sind wir eigentlich Beobachter», sagt Lustenberger. Die Schweiz habe bei den Verhandlungen keine formelle Mitsprache. «Schlussendlich sind das Verhandlungen unter Kolumbianerinnen und Kolumbianern. Es ist ihr Land und ihr Frieden, der aufgebaut werden muss. Aber wir haben eine wichtige, unterstützende Rolle.»

Bei der UNO in New York berichtet Philipp Lustenberger über den Stand der Dinge im kolumbianischen Friedensprozess.
Legende: Mal sitzt er neben Diplomaten, mal neben Guerilleros Bei der UNO in New York sitzt Philipp Lustenberger neben Diplomaten aus aller Welt und berichtet über den Stand der Dinge im kolumbianischen Friedensprozess. Zur Verfügung gestellt

Dennoch sei der Weg bis zu einem umfassenden Frieden in Kolumbien nach über einem halben Jahrhundert bewaffnetem Konflikt noch immer lang: «Der Weg ist noch weit und steinig. Wir glauben aber, dass der Prozess auf dem richtigen Weg ist, dass es auch Fortschritte gibt. Als die Farc die Waffen niederlegte, konnte der Staat leider das entstehende Vakuum in vielen Konfliktregionen nicht wirklich füllen und andere Gruppen haben diese Regionen übernommen. So konnten die verschiedenen illegalen Aktivitäten nicht unbedingt eingeschränkt werden: der Drogenhandel, der illegale Minenabbau.» In Friedensverhandlungen gebe es immer auch Krisen und Rückschritte, sagt der Friedensvermittler.

Lohnenswerter Einsatz für den Frieden trotz Rückschritten

Dass die ELN kürzlich einen Angriff auf eine Militärbasis verübt haben soll, und dass eine Splittergruppe der Farc sich nun wieder bewaffnet hat, sind bedeutsame Rückschritte. Dennoch ist Philipp Lustenberger zuversichtlich. Die Friedensverhandlungen seien wichtig und jeden Rappen wert. Auch wenn Kolumbien nicht die Ukraine oder Nahost sei: «Die Schweizer Aussenpolitik hat einen Verfassungsauftrag, das friedliche Zusammenleben in der Welt zu fördern. Hier muss die Schweiz priorisieren. Es gibt viele Konflikte auf der Welt. Verhandlungen begleiten kostet nicht unbedingt viel Geld, doch es ist sehr zeitintensiv.»

Obwohl der bewaffnete Konflikt in Kolumbien schon Jahrzehnte dauert – anders als Russland im Fall der Ukraine, sind manche Guerilleros in dem südamerikanischen Land immerhin verhandlungsbereit. «Leider gibt es in der Welt nicht viele positive Beispiele von Friedensprozessen, die in die richtige Richtung gehen. Kolumbien ist eines der wenigen. Umso wichtiger ist es auch für die Schweiz, sich hier gut eingeben zu können.» Friedensverhandlungen brauchen Zeit und – das wird beim Treffen mit Philipp Lustenberger klar – eine gehörige Dosis Optimismus.

Echo der Zeit, 29.9.24, 18 Uhr;stal

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