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Vergifteter Ex-Spion «Russland stellt sich als Opfer einer Verschwörung dar»

Die britische Premierministerin Theresa May sagte am Montag, höchstwahrscheinlich sei Russland für den Giftanschlag auf den russischen Ex-Spion Sergej Skripal und seine Tochter verantwortlich. Die beiden seien durch einen Nervenkampfstoff vergiftet worden, der in der ehemaligen Sowjetunion hergestellt wurde. Die russische Reaktion darauf überrascht SRF-Russland-Korrespondenten David Nauer nicht. Das sei die übliche Reaktion Russlands, sagt er.

SRF News: Macht es sich die russische Führung nicht etwas zu leicht, wenn sie die Vorwürfe ins Lächerliche zieht?

David Nauer: Doch, das scheint mir schon so. Es ist auch auffallend, dass diese Verteidigungsstrategie nicht das erste Mal angewendet wird. Die Vorwürfe werden als antirussische Hysterie abgetan. Russland streitet kategorisch jedes Fehlverhalten ab.

So hat sich Moskau auch schon im Dopingskandal verteidigt und bei der Geschichte um die Einmischung um die amerikanischen Wahlen. Russland stellt sich als Opfer einer Verschwörung dar.

Die Sprecherin des Aussenministeriums hat sich regelrecht lustig gemacht über die britische Premierministerin.

Gibt es in der russischen Öffentlichkeit Stimmen, welche diese offizielle Darstellung hinterfragen?

Ja, das gibt es. In der kritischen Öffentlichkeit wird schon diskutiert, ob die russische Regierung oder der Geheimdienst zu einem solchen Giftanschlag in der Lage wäre. Es gibt durchaus Stimmen, die sagen, «doch, das ist denen zuzutrauen». Aber solche Meinungen kann man in Russland vielleicht in Internetforen lesen, aber sicher nicht im staatlichen Fernsehen vertreten.

Premierministerin May hat Russland aufgefordert, sich bis heute Abend zu erklären. Wird Russland dieser Aufforderung Folge leisten?

Das ist schwer zu sagen, aber die russischen Reaktionen von gestern Abend waren ja recht ablehnend. Die Sprecherin des Aussenministeriums hat sich regelrecht lustig gemacht über die britische Premierministerin. Ich kann mir deshalb nicht recht vorstellen, dass die russische Regierung nun die Hand zur Zusammenarbeit reicht.

Als Sanktion gegen Russland wird zum Beispiel ein Boykott der Männerfussball-WM in Russland diskutiert. Das würde Moskau schon treffen.

Die britische Regierung will schon morgen Sanktionen beschliessen, falls Russland keine glaubwürdige Erklärung abgibt. Lässt das Russland kalt?

Es kommt sehr drauf an, wie die Sanktionen gegen Russland aussehen. Wenn nun einzelne russische Bürger keine Visa mehr bekommen, dann beeindruckt das Moskau nicht besonders.

Wenn die Briten aber gröberes Geschütz auffahren, könnte das Russland durchaus weh tun. Diskutiert wird ja zum Beispiel ein Boykott der Männerfussball-WM in Russland oder massive Finanzsanktionen gegen russische Banken. Das sind Massnahmen, die Moskau schon treffen würden.

Das Gespräch führte Hans Ineichen.

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