Der erste Trump-Schock ist vorbei. Dieses Gefühl scheint sich gerade unter den europäischen Staaten breitzumachen. Das zeigt sich zum Beispiel am europäischen Blick auf die Gespräche zwischen der Ukraine und Russland in Istanbul. Diese fanden zwar auf sehr tiefer diplomatischer Ebene statt, dennoch wird vor allem eine Tatsache in den europäischen Hauptstädten als positiv beurteilt: Die Ukraine sitzt mit am Tisch.
Eigentlich eine Selbstverständlichkeit – doch noch vor wenigen Monaten war diese Selbstverständlichkeit infrage gestellt. Nach dem Eklat zwischen dem ukrainischen Präsidenten Selenski und der US-amerikanischen Regierung vor laufender Kamera im Weissen Haus herrschte in Europa die Befürchtung vor, dass man die USA schon bald als Partner verlieren könnte.
Unter diesem Eindruck brachte die EU einen 800-Milliarden-Aufrüstungsplan auf den Weg und beschloss die Lockerung der Schuldenregeln, damit die Mitgliedstaaten mehr in ihre Verteidigung investieren könnte. Dinge, die in der europäischen Politik lange undenkbar schienen.
Man ist wieder mit den USA im Austausch
Doch inzwischen ist man wieder in engem Austausch mit den USA. Regelmässig sprechen sich die Staat- und Regierungschefs der grössten europäischen Staaten mit dem US-amerikanischen Präsidenten ab, wenn es um die Ukraine geht. Europa fühlt sich von den USA wieder eingebunden. Alles doch nicht so wild mit Trump?
Vielleicht nicht. Gewiss ist es aber keineswegs. Die USA unter Donald Trump dürften für Europa ein unberechenbarer Partner bleiben. Das Pendel kann schnell wieder in die andere Richtung schlagen. Die europäische Entspannung ist deshalb nicht ohne Risiko.
Denn die europäische Nach- und Aufrüstung ist zwar im Grundsatz beschlossen, aber noch keineswegs umgesetzt. Harte Budgetdiskussionen auf nationaler Ebene zeichnen sich ab, unpopuläre politischen Entscheide dürften in vielen Staaten gefragt sein.
Bequemlichkeit könnte zurückkehren
Letztlich war es Trumps Alleingang in der Ukraine-Politik, in der für Europa aktuell drängendsten sicherheitspolitischen Frage, der für ein Erwachen in Europas Verteidigungspolitik sorgte. Setzt sich nun das Gefühl durch, dass es um Europas Sicherheitsarchitektur doch nicht so schlimm steht wie befürchtet, dann könnte auch die Bequemlichkeit, die in vielen europäischen Staaten während der letzten drei Jahrzehnte bei diesem Thema vorherrschte, sehr schnell zurückkehren.