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Veröffentlichte US-Dokumente US-Datenleck: «Die Absicht macht sicherlich einen Unterschied»

Grosse Aufregung herrscht derzeit um geheime US-Dokumente. Das heisst, die Dokumente waren geheim, aber sie wurden in Onlinenetzwerken veröffentlicht, neudeutsch geleakt. Sie betreffen den Ukraine-Krieg. Christian Mölling ist Experte für Verteidigungspolitik und sagt, was die Veröffentlichung der Dokumente bedeutet.

Christian Mölling

Sicherheitsanalyst

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Dr. Christian Mölling ist stellvertretender Direktor des Forschungsinstituts der DGAP und Leiter des Zentrums für Sicherheit und Verteidigung.

SRF News: Wie dramatisch ist die Veröffentlichung dieser Geheimpapiere?

Christian Mölling: So richtig einschätzen können wir dies noch nicht. Zum jetzigen Zeitpunkt ist es zumindest ein dramatisches Zeichen für den US-Sicherheitsapparat. Ihm scheinen diese Daten abhandengekommen zu sein. Man weiss auch nicht, wo das Loch ist und dementsprechend kann man es nicht stopfen. Das heisst: Alle Informationen, die die USA geheim halten wollen, könnten davon bedroht sein.

Wir wissen nicht, ob es ein gezielter Versuch der Schwächung oder ob es einfach ein gravierender Fehler gewesen ist.

Kann man einschätzen, ob es sich um ein ähnlich grosses Sicherheitsproblem wie bei Wikileaks handelt?

Nein. Wir wissen nicht, ob es ein gezielter Versuch der Schwächung oder ob es einfach ein gravierender Fehler gewesen ist. Die Absicht macht sicherlich einen Unterschied, sowohl für die USA als auch für die Frage, wie weit das Leak den Ukrainekonflikt und andere Dinge beeinflusst.

Welche Auswirkungen können solche Sicherheitslecks konkret haben?

Auf der einen Seite ist es ein Vertrauensverlust. Es ist weiter Teil des Informationskrieges, dass diese Informationen da sind. Nun tauchen viele Fragen auf und behindern möglicherweise auch politische oder administrative Entscheidungen, weil eben nicht klar ist, was der Fall zum jetzigen Zeitpunkt ist. Das heisst, es gibt eine Entschleunigung. Das kann tatsächlich Rückwirkungen auf den Krieg in der Ukraine haben, und zwar, weil es nicht darum geht, wie viele Waffen sind da, sondern um die Frage, welche der Information stimmen. Teilweise sind es Informationen, die banal sind. Zum Beispiel die Tatsache, dass den Ukrainern irgendwann die russisch produzierten Flugabwehrraketen ausgehen. Das ist eine relativ logische Geschichte, denn Russland wird keine Waffen an die Ukraine liefern.

Welche der Informationen sind Desinformationen, die gezielt gestreut werden, um weitere Verwirrung zu stiften?

Mit anderen Worten: Der Inhalt ist gar nicht so brisant?

Der Inhalt, den wir gesehen haben, ist wohl nicht so brisant. Wir wissen aber nicht, was noch kommt. Ich kenne nicht alle Inhalte. Von daher haben wir es eher mit einer sehr dynamischen Lage zu tun, bei der es auf der einen Seite um den Inhalt der Dokumente geht, auf der anderen Seite aber um die Symbolhaftigkeit. Denn diese Dokumente, die eigentlich geheim sind, sind auf einmal öffentlich verfügbar. Nun fragt sich, was noch an Informationen da ist. Es stellen sich auch Fragen auf der Ebene darunter: Welche der Informationen sind Desinformationen, die gezielt in diesen Strom des Informationsflusses hineingestreut werden, um weitere Verwirrung zu stiften?

Noch ist unklar, wer für diese Leaks verantwortlich ist. Wer profitiert von ihnen?

Zum jetzigen Zeitpunkt kann man sagen, dass sicherlich Russland zu einem gewissen Teil davon profitiert. Das bedeutet nicht, dass Russland diese Informationen geleakt hat. Ob sonst noch jemand davon profitiert, werden wir sehen. Es hängt damit zusammen, was noch an Informationen rauskommt. Es ziehen diejenigen Nutzen daraus, die von einer Schwäche der amerikanischen Sicherheitsapparate profitieren. Da gibt es viele Akteure auf der Welt, ungefähr so viele, wie die USA Sicherheitsinteressen überall auf der Welt verfolgen.

Das Gespräch führte Marc Allemann.

SRF 4 News, 12.04.2023, 06:40 Uhr ; 

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