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Deutschland: Vertrauen in politische Stabilität gesunken
Aus Echo der Zeit vom 20.11.2019. Bild: Keystone
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Vertrauenskrise in Deutschland «Der Streit in der Koalition hat Spuren hinterlassen»

Das Grundvertrauen der Deutschen in die Stärke ihres politischen Systems hat gelitten. Nur noch 57 Prozent sind überzeugt, in einem stabilen Land zu leben, verglichen mit 81 Prozent vor vier Jahren. Das zeigt die Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach, die in der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» veröffentlicht wurde. Die Stimmung werde vor allem durch die aktuelle Regierung geprägt, sagt SRF-Korrespondent Peter Voegeli.

Peter Voegeli

Peter Voegeli

Italien-Korrespondent

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Peter Voegeli ist seit Januar 2022 Italien-Korrespondent von Radio SRF. Von Rom aus hat er auch den Vatikan, Griechenland und Malta im Blick. Zwischen 2005 und 2011 berichtete er als USA-Korrespondent aus Washington DC. Danach war er während dreieinhalb Jahren Moderator von «Echo der Zeit» und von 2015 bis 2021 Deutschland-Korrespondent in Berlin. Von 1995 bis 2005 arbeitete der Historiker als Korrespondent für Schweizer Printmedien in Bonn und Berlin.

SRF News: Wie ist der massive Vertrauensverlust zu erklären?

Peter Voegeli: Es ist die Flüchtlingskrise 2015 mit ihren Folgen. Das ist die entscheidende Zäsur. Eine dieser Folgen ist der Zerfall des Parteiensystems in mehrere mittelgrosse Parteien statt zweier grosser Volksparteien. Das alles verunsichert.

Ist das Vertrauen ins System weg oder das Vertrauen in die aktuelle Regierungskoalition?

Es ist vor allem das Vertrauen in die aktuelle Regierung. Die grosse Koalition gilt als zerstritten, obwohl sie momentan relativ geräuschlos funktioniert und besser ist als ihr Ruf. Aber der Streit zwischen CDU und CSU in der Flüchtlingsfrage hat Spuren hinterlassen. Auch die Führungslosigkeit der SPD trägt dazu bei. So hat sich laut Umfrage die Beurteilung der Qualität der Regierung fast halbiert – von 49 Prozent auf 26 Prozent.

In der Folge ist auch der Glaube in die Handlungsfähigkeit des Staates erodiert. In der Halbzeit der letzten Legislatur im Herbst 2015 war das Vertrauen der Deutschen in sich selbst maximal. Stichwort: Wir schaffen das. Das dachte an jenem 31. August 2015 nicht nur Merkel, sondern die Mehrheit der Deutschen.

2015 führte nichts in Europa an Merkel vorbei. Ist sie nun zur «Lame Duck» geworden, weil sie bald abtritt?

Eine Kanzlerin hat nicht dieselbe Macht wie ein US-Präsident. Als «Lame Duck» könnte man deshalb wohl eher die Grosse Koalition als Ganzes bezeichnen. Dass es letztes Jahr doch wieder zur Grossen Koalition kam, bedeutete, dass das Ende der Ära Merkel einfach um vier Jahre hinausgeschoben wurde. Aktuell kommt vor allem die CDU zunehmend in Schieflage. So wurden früher die Forderungen der SPD, etwa der Minimallohn, am Ende der CDU gutgeschrieben. Jetzt werfen viele der CDU vor, sie habe für den Bestand der Koalition ihre Prinzipien über Bord geworfen – zum Beispiel bei der Einführung der Grundrente. Dazu kommt, dass es zurzeit keine natürliche Nachfolge für Merkel gibt, die sich vordrängen würde.

Groko-Halbzeitbilanz.
Legende: Vor der Groko-Halbzeitbilanz am 6. November in Berlin: Heiko Maas, Olaf Scholz, Angela Merkel und Helge Braun (v.l.n.r.). Imago/Archiv

Noch grösser sind die Probleme beim Koalitionspartner SPD, die weiter ohne Präsidium ist. Könnten die Grünen den Deutschen Vertrauen zurückgeben?

Die Grünen haben sehr gute Werte, regieren im Bund aber nicht. Deshalb lassen sich alle Hoffnungen auf sie projizieren. Das Problem ist aber: Laut der Allensbach-Umfrage möchte die Mehrheit der Grünen-Anhänger ein Linksbündnis und nicht ein Bündnis mit der Union, wie es zurzeit rechnerisch möglich wäre. Aber das Vertrauen in die Zukunftskonzepte der Grünen hat sich gemäss Umfrage innert vier Jahren auf 17 Prozent verdoppelt. In die Konzepte der Union vertrauten vor vier Jahren noch 30 Prozent, heute sind es noch 17 Prozent.

Gewählt wird erst wieder 2021. Brächten vorgezogene Neuwahlen frischen Wind?

Nein, die Luft ist raus. Die überwiegende Mehrheit der Deutschen glaubt gemäss der Umfrage nicht, dass vorgezogene Neuwahlen etwas bringen würden. Ebenso wenig, dass es zu vorgezogenen Neuwahlen kommen wird. Das hätte früher passieren müssen.

Das Gespräch führte Roger Brändlin.

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