SRF News: Wie bemerkenswert ist dieser Schritt?
Urs Bruderer: Es ist auf jeden Fall ein überraschender Schritt von Präsident Andrzej Duda. Letzte Woche hat Duda noch signalisiert, dass er diese Gesetze unterschreiben könnte, wenn die Reform nach seinen Wünschen abgeschwächt würde. Seine Wünsche waren eher kosmetischer Art und wurden erfüllt – trotzdem will er jetzt nicht unterschreiben.
Das hätte Wahlmanipulation Tür und Tor geöffnet.
Es ist ein wichtiger Schritt. Die geplante Reform hätte definitiv mit der Unabhängigkeit der Justiz aufgeräumt und Duda war der einzige, der die Regierung der PiS-Partei jetzt noch stoppen konnte. Er ist vom Volk gewählt und deswegen nicht kündbar – auch nicht vom Parteichef der Regierungspartei PiS.
Wieso ist die Justizreform problematisch?
Sie hätte die Unabhängigkeit der Justiz in Polen beendet. Die Politik hätte direkt und indirekt die Kontrolle über alle Richter und Gerichte im Land übernommen. Polen wäre zu einem Land geworden, in dem die Regierung ihre Gegner mit allen Mitteln der Staatsmacht verfolgen kann. Sie hätte ihre Gegner sogar bei Wahlen benachteiligen können, denn das oberste Gericht, das die Wahlen überwacht, wäre ebenfalls umgebaut worden. Das hätte Wahlmanipulation Tür und Tor geöffnet.
Bisher war Duda kein Mann, der sich viele Gedanken über den Rechtsstaat gemacht hat.
Was geschieht jetzt mit der Justizreform?
Die Reform in dieser Form ist wohl beerdigt. Das Parlament könnte den Präsidenten mit einer 60-Prozent-Mehrheit überstimmen. Diese Mehrheit würde die PiS-Partei im Parlament wohl kaum erreichen. Sie wird es wohl auch nicht probieren, denn Duda ist zu beliebt und die Proteste in Polen sind zu gross. Duda hat angekündigt, er werde selber eine Reform vorschlagen. Wie die ausfallen bleibt abzuwarten. Bisher war Duda kein Mann, der sich viele Gedanken über den Rechtsstaat gemacht hat.
Das Gespräch führte Ivana Pribakovitsch