Das Wichtigste in Kürze
- Vor 50 Jahren begann der Biafra-Krieg, in dem Nigeria die Unabhängigkeitsbestrebungen der Provinz Biafra militärisch stoppte.
- Der brutale Bürgerkrieg löste in der Schweiz eine Welle von Betroffenheit aus. Viele Schweizer spendeten Geld, andere suchten den persönlichen Hilfseinsatz.
- Nuot Ganzoni arbeitete drei Monate als Kriegschirurg in einem Spital in der Stadt Aboh. Die Schicksale der Patienten prägen ihn bis heute.
Es war ein gewöhnlicher Morgenrapport im Zürcher Uni-Spital. Nuot Ganzoni war 38 Jahre alt und gerade Oberarzt geworden, als der Chef mitteilte, das Rote Kreuz suche Ärzte für Biafra.
Biafra, das trieb damals alle um, sagt er, auch ihn. «Biafra hatte Sympathie, die ganze Medienwelt brachte Biafra Sympathie entgegen und es wurde auch getragen vom Volk», so Ganzoni.
Fast sofort sagte er dem Chef, Ja er wolle das, als Arzt nach Biafra. Zum Helfen und etwas Zweites kam beim jungen Arzt dazu. Noch immer leuchtet Neugier in seinen klaren Augen, wenn er sagt: «Die Arbeit hat mich gelockt, die Begegnung mit einem anderen Kontinent und auch die Art der Chirurgie, diese ausschliessliche Konzentration auf schwere Verletzungen.»
Triage war das Schwerste
Genau dies bestimmte dann die Realität im Missionsspital in der Stadt Aboh. Es begannen endlose Tage mit Operationen im Schichtbetrieb. Die Bilder von schlimmen Verwundungen wurden Normalität. Auch die Tatsache, dass – wenn überhaupt – oft nur Amputationen halfen. «Die Hauptbelastung war die simple Arbeit des Arztes und des Teams», sagt Ganzoni weiter.
Doch an eins gewöhnte er sich nie: Ganzoni erzählt, wie oft viele Verwundete gleichzeitig ins Spital gebracht wurden und er dann in kurzen Augenblicken entscheiden musste, wer in welcher Reihenfolge drankommt. Ja, die Triage, das sei das schwerste gewesen.
«Die Verletzten lagen ohne Klage da und man hat diesen Entscheid mit Schicksal verglichen. Natürlich hatte dies einen solchen Anklang, aber den Arzt als Träger dieses Schicksals zu bezeichnen, war nicht das Richtige», erklärt Ganzoni.
Nein, er habe nicht Schicksal gespielt. Das ist ihm bis heute ganz wichtig. «Man tut einfach seine Arbeit und Pflicht, dass man diese Triage machen muss.»
So oft es ging, schrieb er Briefe an seine Frau. Und in einem bezeichnete er das Spital von Aboh, als «eine Stätte verdichteten Elends.»
Drei Monate im zweieinhalbjähigen Bürgerkrieg mit Hunderttausenden von Opfern. Das war die Arbeitsstätte Ganzonis. Und auf die Frage, was aus damals denn die Erinnerung am meisten präge, sagt er: «Wahrscheinlich, auch wenn wie gesagt ein halbes Leben zurück liegt, schon die Schicksale der Patienten», und legt dann die feinen alten Chirurgenhände in den Schoss.