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Wachsende Gewaltbereitschaft Deutschland und das Problem mit dem Rechtsextremismus

Die Neue Rechte sei der «Superspreader» von Hass, Radikalisierung und Gewalt, betont der Verfassungsschutzpräsident.

Augen rechts! Das ist das Fazit des diesjährigen Bundesverfassungschutzberichts des deutschen Inlandgeheimdienstes. «Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus in unserem Land nehmen weiter zu und sind die grösste Bedrohung für die Sicherheit in Deutschland», stellte Innnenminister Horst Seehofer bei der Präsentation fest.

AfD-Teilorganisation Flügel neu in der Statistik

Die Zahl der Rechtsextremen ist laut Bericht um 33 Prozent auf über 33’000 gestiegen. Der Grund für diesen enormen Anstieg ist, dass der sogenannte Flügel, eine Teilorganisation der AfD, als rechtsextrem eingestuft wird. Um zehn Prozent gestiegen sind auch die rechtsextremen Straftaten, wobei die Zahl der Gewaltdelikte abgenommen hat.

Nach dem Anschlag auf eine Synagoge in Halle an Jom Kippur 2019 – der Prozess beginnt knapp zwei Wochen – ist Antisemitismus besonders im Fokus des öffentlichen Interesses.

Innenminister Seehofer machte deutlich, dass über 90 Prozent der Straftaten im Zusammenhang mit Antisemitismus auf den Rechtsextremismus zurückzuführen seien: «Deshalb ist es bei Gott nicht übertrieben zu sagen, dass es die grösste sicherheitspolitische Herausforderung in unserem Lande ist.»

Der Rechtsextremismus ist die grösste sicherheitspolitische Herausforderung in unserem Lande.
Autor: Horst Seehofer Bundesinnenminister CSU
Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) und Verfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang stellen in Berlin den Verfassungsschutzbericht 2019 vor.
Legende: Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) und Verfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang stellen in Berlin den Verfassungsschutzbericht 2019 vor. Keystone

Massive Probleme bei der Bundeswehr

Neu soll ein sogenanntes Lagebild über Rechtsextremismus im öffentlichen Dienst erstellt und im Herbst vorgestellt werden. Wegen Rechtsextremismus droht den Spezialkräften der Bundeswehr, der Eliteeinheit KSK, sogar die Auflösung.

Darüber hinaus sei eine hohe dreistellige Zahl von Bundeswehrreservisten nicht mehr in den Militärdienst einberufen worden. Sie seien «wegen Zweifeln an ihrer Verfassungstreue» nicht mehr zu entsprechenden Übungen eingezogen worden, so Verfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang.

Neue Rechte als Wegbereiter

Den Boden für rechtsextreme Gewalt bereitet laut Haldenwang die sogenannte Neue Rechte. Also zum Beispiel die Identitäre Bewegung, das Institut für Staatspolitik von Jörg Kubitschek, der Flügel und die Junge Alternative, beides Teilorganisationen der AfD, sowie das Compact Magazin und der Verein 1 Prozent.

Haldenwang griff zum rhetorischen Zweihänder: «Sie alle konstruieren Sündenböcke, schüren Hysterien und Feindbilder mit Desinformation und Verschwörungstheorien. Sie reichern ihr pseudo-intellektuellen Theorien mit fremdenfeindlichen, nationalistischen, rassistischen oder antisemitischen Ideologie-Elementen weiter an.«

Sie alle konstruieren Sündenböcke, schüren Hysterien und Feindbilder mit Desinformation und Verschwörungstheorien.
Autor: Thomas Haldenwang Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz BfV

Und damit bereiteten sie einer zunehmenden Gewalt und Aggressivität in der Gesellschaft den Boden. Die Vertreter der Neuen Rechten seien «gleichsam wie Superspreader von Hass, Radikalisierung und Gewalt,», so der Verfassungsschutzpräsident.

Sie sind «gleichsam wie Superspreader von Hass, Radikalisierung und Gewalt.
Autor: Thomas Haldenwang Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz BfV

Grosse Gewaltbereitschaft bei Rechten und Linken

Interessanterweise stieg auch die Zahl der linksextremen Straftaten massiv, um 40 Prozent. Und dies, obwohl kein Ereignis, wie zum Beispiel ein G20 Gipfel, diese Szene im vergangenen Jahr besonders mobilisiert hätte. In absoluten Zahlen sind die Strafaten von Linksextremen aber deutlich kleiner als jene von Rechtsextremen.

Bei der Zahl der Gewalttaten schenken sich Links- und Rechtsextreme hingegen nichts. Sie sind fast identisch. Unverändert hoch, wenn auch nicht im Fokus der Öffentlichkeit, sei die Gefahr des Islamistischen Terrors, so der Verfassungsschutzbericht 2019.

Echo der Zeit, 09.07.2020, 18:00 Uhr

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