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Wahl Bundesverfassungsgericht Deutschland: Regierung doch noch erfolgreich bei der Richterwahl

  • In Deutschland hat die schwarz-rote Regierungskoalition die Hürde bei Richterwahlen für das Bundesverfassungsgericht übersprungen.
  • Der Bundestag hat im zweiten Anlauf drei von CDU/CSU und SPD nominierte Richterinnen und Richter für das Bundesverfassungsgericht mit der notwendigen Zweidrittel-Mehrheit gewählt.
  • Gewählt wurden in einer geheimen Wahl die von der SPD nominierten Kandidatinnen Sigrid Emmenegger und Ann-Katrin Kaufhold sowie der Unions-Kandidat Günter Spinner.
  • Die Wahl war als Testfall für die Arbeitsfähigkeit der schwarz-roten Regierung angesehen worden.

Für die Wahl waren die Namen aller drei Kandidierenden auf einem Stimmzettel gedruckt. Emmenegger erhielt von 613 abgegebenen Stimmen 446, Kaufhold 440 und der CDU-Kandidat Spinner 424 Stimmen. Sein schlechteres Ergebnis dürfte daran gelegen haben, dass die Linke-Fraktion Stimmfreigabe beschlossen hatte und es Kritik gab, dass die Union wegen ihres sogenannten Unvereinbarkeitsbeschlusses jedes Gespräch mit den Linken verweigerte.

Krise im Sommer

Vor der Sommerpause hat die gescheiterte Wahl von drei neuen Richtern und Richterinnen am Bundesverfassungsgericht die deutsche Regierungskoalition von CDU, CSU und SPD in eine Krise gestürzt. Zu viele Abgeordnete der Union wollten die von der SPD nominierten Kandidatin Frauke Brosius-Gersdorf nicht wählen. Die Abstimmung wurde dann abgesetzt, weil die Unionsfraktion nicht die nötige Mehrheit für eine der von der SPD nominierten Kandidatin garantieren konnte. Die SPD sah das Vertrauen in der Koalition schwer erschüttert. 

Durchsichtige Wahlurne mit roten Wahlcouverts.
Legende: Abgeordnete werfen ihre Stimmzettel in die Wahlurnen im Bundestag für die namentliche Abstimmung von Richtern und Richterinnen am Bundesverfassungsgericht (BVerfG). KEYSTONE / DPA, Michael Kappeler

Union und SPD haben nun einen Konflikt hinter sich gelassen, der die Regierungskoalition fast den ganzen Sommer lang schwer belastet hat. Vor allem Unions-Fraktionschef Jens Spahn dürfte ein Stein vom Herzen gefallen sein. Ihm war das Wahldesaster im Juli angelastet worden. «Mit dieser Wahl heute endet eine Phase der Unsicherheit, die mit der abgesetzten Richterwahl im Juli begonnen hat», sagte Spahn nach der Abstimmung. Die Koalition von Union und SPD habe wieder «Tritt gefasst».

Bundestag reisst sich am Riemen

Der SPD-Fraktionsvorsitzende Matthias Miersch bedankte sich ausdrücklich auch bei den Grünen und der Linkspartei und sprach von einem wichtigen Tag für die Demokratie in Deutschland. CSU-Landesgruppenchef Alexander Hoffmann dankte allen, die zum Gelingen der Abstimmung beigetragen und somit «staatspolitische Verantwortung» bewiesen hätten.

Die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Britta Hasselmann, sagte, nach der «Schmutzkampagne» gegen Brosius-Gersdorf habe der Bundestag gezeigt, dass man dort «mit demokratischen Mehrheiten» Verfassungsrichter und -richterinnen wählen könne. 

Linke gegen Spinner – AfD gegen Kaufhold

Die Linke war unzufrieden, weil die Union nicht mit ihnen über den Kandidaten Spinner reden wollte. Schliesslich entschied sich die Linke-Fraktion für Stimmfreigabe. Es sei gut, dass «die Zitterpartie vorbei ist», sagte die Linken-Abgeordnete Clara Bünger.

Die AfD hatte vor der Wahl eine Ablehnung Kaufholds angekündigt, gegen die anderen beiden Richterinnen hingegen keine Einwände geltend gemacht.

Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (CDU) sprach von einem wichtigen Schritt für die Stabilität und Funktionsfähigkeit der Verfassungsorgane.

Die drei neuen Verfassungsrichter müssen nach ihrer Wahl noch ein paar Tage warten, bis sie ihre Büros in Karlsruhe beziehen können. Die Ernennung durch den Bundespräsidenten ist für Anfang Oktober geplant.

SRF-Korrespondent Stefan Reinhart: «Ein blaues Auge»

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«Da ist die Koalition von Bundeskanzler Friedrich Merz mit einem blauen Auge davongekommen. Insbesondere CDU-Fraktionschef Jens Spahn hat denselben Fehler wie bei der missglückten letzten Wahl gemacht – er hat nicht mit der Linken gesprochen. Der Vorgang zeigt ganz klar: Die CDU muss ihr Verhältnis zur Linken klären – es gibt da einen Unvereinbarkeitsbeschluss – der ist mittelfristig wohl nicht zu halten.

Was ganz klar ist: Mit der AfD wird es auf Bundesebene keine Zusammenarbeit geben – gestützt auch durch die CDU-Mitglieder – 80 Prozent sagen Nein. Bleibt die CDU bei ihrer Position, weder mit der AfD noch mit der Linken zusammenzuarbeiten, dann wird es bei allen Fragen, die Zweidrittelmehrheit brauchen, zu Hängepartien kommen. 

Da herauszukommen, ist für den Kanzler hart: Seine Beliebtheitswerte sind im Keller und die versprochenen Reformen, zum Beispiel bei Sozialstaat oder bei der Pünktlichkeit der Bahn, Investitionen in Strassen, Schulen oder die Digitalisierung werden immer weiter ins nächste Jahr verschoben. Der Kanzler muss jetzt liefern – und zwar bald. Ohne Erfolg wächst der Streit in der Koalition – zur Freude der politischen Ränder rechts und links.

Tagesschau, 25.09.2025, 19:30 Uhr ; 

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