Die sechs Bodyguards halten sich diskret im Hintergrund. Babiš bewegt sich locker in der 150-köpfigen Schar, die zur Wahlkampfveranstaltung seiner Partei ANO in Pardubice zusammengekommen ist. In Jeans und Strickpullover und mit dem obligaten Dreitagebart wirkt er sehr gewöhnlich. Er lacht viel, posiert für Selfies, signiert Bücher («Wovon ich träume, wenn ich zufällig mal schlafe» – sein Wahlprogramm) und zieht in einer Stegreifrede über die politische Konkurrenz her.
Dann signiert er wieder Bücher und unterhält sich nebenbei auf Deutsch mit SRF und einem Journalisten vom deutschen Magazin «Spiegel». Auch tschechische Kollegen hören zu. Er wisse, in Deutschland seien die Zeitungen natürlich unabhängig, sagt er, und malt zum Wort «unabhängig» Anführungszeichen in die Luft: Der Ton entspannter und sogar fröhlicher Gehässigkeit ist gesetzt, es kann losgehen.
SRF News: Herr Babis, Ihr Slogan lautet «schuften, nicht faseln». Wer faselt denn?
Andrej Babiš: Zaoralek (der Spitzenkandidat der Sozialdemokraten) ist der erste Fasler. Und Okamura (der Chef der Rechtspopulisten). Der ist eine Gefahr für unser Land. Er ist wirklich extrem, will aus der EU aussteigen und lügt ständig. Ich glaube ihm kein Wort.
Schuften allein reicht nicht. Zur Demokratie gehört auch, dass man streitet und diskutiert.
Aber nicht, dass man lügt. Ich lüge nie. Ich war im Business. Da machen sie Geschäfte per Handschlag. Einen Partner können Sie da zweimal betrügen: Das erste und das letzte Mal. In der traditionellen Politik ist es anders. Die Politiker lügen unglaublich. Dazu muss man geboren sein. Ich schaffe das nicht.
Im Falle Ihres Hotel- und Freizeitkomplexes «Storchennest» werden sich wohl die Gerichte mit der Frage befassen, ob Sie gelogen haben.
Oh, là, là. Das ist immer dasselbe Lied.
Es kommt womöglich zu einem Prozess (wegen Erschleichung von EU-Subventionen).
Das ist alles bestellt und organisiert. Wäre ich nicht in die Politik eingestiegen, hätten Sie von dieser 10 Jahre alten Sache nie gehört.
Wenn Sie deswegen verurteilt würden, …
Ich werde nicht verurteilt. Weil es keinen Beweis gibt. Also lügen Sie nicht. Ich wurde nicht verurteilt.
Wir haben keine objektiven Medien in Tschechien. Wir haben Journalisten, die mit dem Establishment leben.
Warum haben Sie Medienunternehmen gekauft?
Weil es eine Möglichkeit gab, Medien zu kaufen. Warum nicht?
Eine sehr einfache Antwort für jemanden, der gleichzeitig in die hohe Politik eingestiegen ist.
Und natürlich, weil wir keine objektiven Medien haben in Tschechien. Wir haben Journalisten, die mit dem Establishment leben seit der Wende von 1989.
Wird es besser, wenn mit Ihnen der wahrscheinlich nächste Premierminister das grösste Medienhaus kontrolliert?
Lesen Sie meine Zeitungen. Sie werden sehen, dass die negativ über mich schreiben. Ich bin kein Berlusconi. Sie müssen nicht kopieren, was die anderen schreiben.
Journalismus ist kein gutes Geschäft.
Natürlich. Aber wir machen Geld. Und denken Sie an die deutsche Bildzeitung. Zweite Seite, jeden Morgen, 18 Millionen Deutsche. Ich könnte lange sprechen über Medien.
Was werden Sie als erstes besser machen, falls Sie Premierminister werden?
Ich werde die Regierung managen. Ich habe die jetzige Regierung als Finanzminister erlebt. Während der Premier sprach, lasen andere Minister Zeitung oder telefonierten, und alle waren auf Twitter. Einen Betrieb könnte man so nicht führen.
Planen Sie neben Änderungen im Führungsstil auch Änderungen am demokratischen System?
Da haben Sie wieder Lügen gelesen!
Sie schwärmen von der direkten Demokratie und vom amerikanischen System.
Ich denke an Michael Bloomberg (den ehemaligen Bürgermeister von New York), den ich getroffen habe. Er wurde direkt gewählt; so soll es sein, die Leute sollen nicht Parteien wählen, sondern die Leute, die die Parlamente kontrollieren. Vorbilder gibt es genug in der Welt. In der Schweiz wissen Sie das ja. In der Direkten Demokratie entscheiden die Leute alles, oder?
Der Staat sollte lernen, wie man eine Familienfirma führt. Die Leute in unserer Regierung haben davon keine Ahnung.
In der Direkten Demokratie wird sehr viel gefaselt. Interessant ist, was dabei rauskommt.
Wirklich? Vielleicht lesen wir auch Lügen über die Schweizer Demokratie.
Die Schweizer Politik ist nicht streng geführt, unsere Regierung ist eine ewige grosse Koalition.
Es geht nicht um strenge Führung. Die Minister sollen Aufgaben erfüllen. Ich habe ein Ministerium geführt wie eine Familienfirma. Der Staat sollte lernen, wie man eine Familienfirma führt. Die Leute in unserer Regierung haben davon keine Ahnung. In der Schweiz haben sie viele Familienfirmen.
In einer Firma ist das Ziel klar …
Und was ist das Ziel des Staates bei uns? Die Politiker wollen Minister werden. Denen geht es nur um ihre Karriere. Mir nicht. Aber ich bin die grösste Gefahr für die Demokratie. Der tschechische Berlusconi, Trump, alles. Schreiben Sie alles, was die korrupten Journalisten hier schreiben, mir ist das wurst.
Warum sind die Medien und das politische Establishment Tschechiens so völlig gegen Sie?
Die stecken unter einer Decke. Und die haben Angst vor mir. Weil ich nicht klaue. Niemand kann mich korrupt machen. Ausgeschlossen. Geld bedeutet mir gar nichts.
Sie sind selber Teil des Establishments.
Ich bin der einzige grosse Unternehmer mit Sitz im Land. Die sogenannt tschechischen Unternehmen sitzen in Holland, Zypern und so weiter und bezahlen hier keine Steuern.
Wie denken Sie über den führenden Politiker Polens, Jaroslaw Kaczynski?
Wenn Kaczynski etwas schlecht macht, dann werden die Polen das bemerken und ihn nicht mehr wählen. Die europäischen Politiker regen sich die ganze Zeit über Polen auf. Und über den türkischen Diktator Erdogan? Dem schieben sie drei Milliarden Euro zu, und bitte!
Sind Sie dafür, die Nationalstaaten in der EU wieder zu stärken, wie der ungarische Premier Viktor Orban das fordert?
Wir brauchen keine andere Integration. Wir brauchen die vier Freiheiten. Freie Bewegung von Leuten, Kapital, Waren und Dienstleistungen. Europa sollte eine Sicherheitsstrategie haben. Ich schreibe darüber hier (zeigt auf sein Buch). Kennen Sie Asterix und Obelix? Wir brauchen ein sicheres Dorf. Das haben wir bis heute nicht erreicht.
Haben sie keine Angst. Ich bleibe maximal vier Jahre.
Was sagen Sie zu den Vorwürfen, dass unter Ihrer Führung die Finanzverwaltung Ihren Unternehmen Vorteile verschuf und die Konkurrenz bedrängte?
Wieder diese Lügen. Quatsch.
Ist es eine Lüge, dass die EU-Subventionen für Ihre Unternehmen anstiegen, seit Sie Finanzminister sind?
Ich habe auf meiner Webseite mujdemagog.cz 21 Lügen über mich aufgelistet und widerlegt. Lesen Sie das.
Können Sie sich vorstellen, sich aus Gründen der demokratischen Hygiene eines Tages von Ihren Medienunternehmen zu trennen?
Ich mache Hygiene zwei- bis dreimal täglich.
Aber Sie verstehen das Argument.
Ja. Aber fragen Sie die Leute, warum die mich wählen. Wahrscheinlich, weil sie mir glauben. Und nicht den Journalisten, die ständig dieselben Lügen wiederholen. 21 Lügen, lesen Sie das, bitte.
Wenn Sie das Argument verstehen, wissen Sie auch, warum es sehr problematisch ist …
Haben Sie keine Angst. Ich bleibe maximal vier Jahre.
Versprechen Sie das heute?
Natürlich verspreche ich das.
Und nachher? Was haben Sie dann im Sinn?
Was? (lacht) Ich habe eine Firma, die läuft nicht gut, weil ich nicht da bin. Und ich beschäftige 35‘000 Leute, das ist eine Verantwortung. Das ist nicht wie bei den Politikern, die jeden Monat ein Gehalt bekommen und gar nichts tun. Ich habe tausendmal bedauert, in diese verrückte Welt der Politik gegangen zu sein. Aber jetzt ist es zu spät. Und wenn ich es nicht schaffe, werde ich besser leben, glauben Sie mir.
Wenn Sie es bedauern …
Ich bedauere es auch wegen Ihren dummen Fragen. (lacht)
Mein Eindruck ist, Sie amüsieren sich ziemlich gut.
Weil Ihre Fragen mich amüsieren. (wechselt die Stimme) «Babiš ist da, oh-la-la, Gefahr für die Demokratie!»
Wenn Sie es bereuen, warum hören Sie nicht einfach wieder auf?
Die Leute brauchen mich. Von meiner Motivation haben Sie keine Ahnung. Es ist nicht das Geld. Ich habe kein Flugzeug, keine Jacht, ich bin kein Oligarch.
Was ist denn Ihre Motivation?
Den Leuten zu helfen. Und ihnen zeigen, dass ich der beste Premier dieses Landes werde, wenn sie es mir geben. Ganz einfach. Ich habe auch eine Stiftung, wussten Sie das? Die grösste hier. Und ich bin nicht der Reichste. 430 Millionen Kronen (etwa 20 Millionen Franken) habe ich Bedürftigen gegeben.
Niemand zwingt Sie, den Leuten zu helfen.
Da haben Sie recht. Aber ich will das machen. Ich will den Leuten helfen. Ich habe ein gutes Gefühl dabei. Kennen Sie das nicht?
Ein Retter?
Ich glaube, Sie sind ein verlorener Fall mit Ihren Fragen (lacht). Ok, das ist alles. Ich habe alle Fragen beantwortet. Seien Sie glücklich, dass ich Ihnen so viel Zeit gespendet habe.
Das Gespräch führte SRF-Osteuropa-Korrespondent Urs Bruderer.