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Wahlen in Tschechien Wie eine Werbefirma Fake-News-Portale finanziell ausbluten lässt

Das Coronavirus und die regionalen Wahlen in Tschechien fördern Fake News. Nun setzt sich eine Gruppe von Werbern zur Wehr.

Fake News – das bedeutet auch in Tschechien Halbwahres, Erfundenes. Sogenannt alternative Medien, die keine journalistischen Regeln beachten. Lüg nicht, «ne lez» auf Tschechisch, rufen Roman Cihalik und Petr Vlasak diesen Medien zu. Nelez nennen die beiden Werber ihren Kampf gegen Fake News.

Zuerst zeigen sie uns in ihrem Büro neben Prags Altstadt Falschnachrichten. «Amerikanische Soldaten verbreiten das Coronavirus absichtlich in Europa», steht auf dem Bildschirm. In keinem anderen Land gebe es so viele Falschnachrichten wie in Tschechien, glaubt Vlasak.

Menschen stehen Schlange
Legende: Langes Anstehen für einen Covid-Test: In Tschechien steigen die Fallzahlen wieder an, der Gesundheitsminister hat seinen Rücktritt erklärt, um «neuen Raum für die Lösung der Krise zu eröffnen». Am 2. Oktober finden im Land Regional- und Senatswahlen an. Keystone

Jede vierte Person in Tschechien glaubt Fake News

Auf jeden Fall gibt es dutzende Internet-Seiten mit erfundenen, halb wahren, verschwörungstheoretischen Artikeln. Und jeder Vierte glaubt den Falschnachrichten. Auch einflussreiche tschechische Politiker zitieren sie gerne – böse EU, überhaupt, böse Ausländer. «Mein eigener Vater glaubt Fake News und leitet sie mir weiter», sagt Cihalik.

Nun versuchen er und Petr Vlasak zumindest ihre Kunden von Falschnachrichten fernzuhalten. Weil sie die Werbung, die sie für ihre Kunden kreiert haben, nicht mehr auf zweifelhaften Internetportalen sehen möchten.

Die Idee ist, dass diese Portale kein Werbegeld mehr verdienen und eingehen – zumindest einige von ihnen.
Autor: Roman Cihalik Werber

Sie suchen die Portale ab nach ihrer Werbung. Finden sie eine Anzeige, beraten sie das Unternehmen, das die Anzeige in Auftrag gegeben hat – damit dessen Name nie wieder auf der Seite der Fake-News-Schleuder auftaucht. «Die Idee ist, dass diese Portale kein Werbegeld mehr verdienen und eingehen – zumindest einige von ihnen», so Cihalik.

Der Plan geht auf

Die Idee scheint zu funktionieren: «In letzter Zeit ist die Werbung einiger grosser Firmen nicht mehr auf den Fake-News-Seiten erschienen», sagt Cihalik. Und ein Portal voller Falschnachrichten habe sogar Besserung gelobt – seither gebe es dort keine Fake News mehr. Die meisten Unternehmen, die sie anriefen, stoppten die Werbung auf den umstrittenen Portalen. Ruf sei wichtiger als Reichweite, sagen die Werber. Und die meisten wüssten gar nicht, dass ihre Werbung auch an zweifelhaften Orten aufploppe.

Das liegt daran, dass Werbung im Internet anders funktioniert als in der Zeitung. Agenturen platzieren sie auf allen möglichen Internet-Seiten, je nach Platz und Preis. Es ist schwierig, den Überblick zu behalten. Nelez ist innerhalb weniger Monate ziemlich gross geworden. Einige der wichtigsten tschechischen Werbe- und Kommunikationsagenturen sowie 50 grosse Unternehmen machen bis jetzt mit.

Fake News aus China und Russland

Roman Cihalik und Petr Vlasak glauben, dass Tschechien Falschnachrichten anzieht wie ein Teich Enten. Osten und Westen hätten sich hier schon immer bekämpft, die Menschen misstrauten Fremden. Ideal für Mächte wie Russland und China und für Falschnachrichten von dort.

Russland und China wollten ein zerrissenes, schwaches, manipulierbares Tschechien – als Einfallstor nach Europa, glauben die Werber. Sie glauben aber auch, dass es heikel sei, wenn Privatleute wie sie darüber entscheiden, was wahr und was falsch ist. «Man hat uns deshalb schon Nazis genannt. Aber wir sind streng, bevor wir ein Portal zur Fake-News-Seite erklären.» Fachleute und Journalisten schauten sich das Portal immer vorher an. Irgendjemandem müsse man schliesslich vertrauen.

Echo der Zeit vom 21.9.2020

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