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Joe Biden spricht sich mit Filibuster-Reform für Tabu-Bruch aus
Aus Echo der Zeit vom 11.01.2022. Bild: Reuters
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Wahlrechtsreform in den USA Biden befürwortet für sein Wahlversprechen den Tabubruch

US-Präsident Joe Biden hat die Reform des Wahlrechtes zu einem der wichtigsten Ziele seiner Präsidentschaft erklärt. Das Problem: Im Senat braucht er auch die Unterstützung von einigen Republikanern – und die sperren sich beharrlich dagegen. Um den Widerstand zu brechen, möchten Biden und viele Demokraten die Abstimmungsregeln ändern. Ein heikles Unterfangen, wie SRF-Korrespondent Matthias Kündig ausführt.

SRF News: Zur eigentlichen Wahlrechtsreform: Wo liegt das Problem, wenn die verschiedenen Bundesstaaten unterschiedliche Wahlgesetze haben?

Matthias Kündig: Das führt dazu, dass es an manchen Orten vor allem für Minderheiten wie Schwarze und Indigene, aber auch für die unteren sozialen Schichten, schwierig ist, überhaupt zu wählen. Denn der Wahltag ist in den USA per Verfassung immer ein Dienstag, also ein Arbeitstag. Das ist für viele, die etwa im Stundenlohn angestellt sind, eine hohe Hürde. Denn nur in einigen liberalen Bundesstaaten können die Menschen per Post wählen oder bereits in den Tagen zuvor ihre Stimme abgeben. In einigen konservativen Staaten muss dafür zuerst eine Sonderbewilligung eingeholt werden und es braucht ein Arztzeugnis oder eine Bestätigung des Arbeitgebers.

Wählerin vor Wahlurne
Legende: In den USA gebe es auch Gebiete mit wenig Wahlurnen, erklärt Kündig. «Das heisst, die Menschen müssen lange Strecken zurücklegen und womöglich stundenlang vor der Urne anstehen. Auch das hält viele vom Wählen ab.» Keystone

Es gibt also Bundesstaaten mit recht hohen Hürden, die die Menschen davon abhalten, von ihrem demokratischen Grundrecht Gebrauch zu machen. In republikanisch geführten Staaten wurden diese Hürden im letzten Jahr sogar noch erhöht.

Diese nationalen Standards möchte Biden einführen

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Legende: US-Präsident Joe Biden Keystone

Zum Beispiel soll die Briefwahl oder das vorzeitige Wählen überall möglich werden. Es soll auch einfacher werden, sich für die Wahlen überhaupt zu registrieren. Zudem soll es nicht mehr möglich sein, dass eine Partei Wahlkreise so zieht, dass sie den Sitz dort auf sicher hat. Das sogenannte «Gerrymandering» soll abgeschafft werden und künftig sollen unabhängige Kommissionen die Wahlkreise festlegen. Schliesslich sollen Bundesstaaten Änderungen ihrer Wahlgesetze dem nationalen Parlament vorlegen müssen, um sicherzustellen, dass neue Bestimmungen nicht bestimmte Wählerinnengruppen benachteiligen

Das Vorhaben steckt seit Monaten fest im Senat, wo die Republikaner eine Sperrminorität haben. Mit dem sogenannten Filibuster verhindern sie, dass über eine Reform des Wahlrechts überhaupt debattiert werden kann. Was ist die Idee hinter diesem Filibuster?

Damit wollte man ursprünglich erreichen, dass Gesetzesvorlagen breit abgestützt sind und die Mehrheitspartei die Anliegen der Opposition nicht einfach konsequent übergehen kann. Das hat jahrzehntelang auch gut funktioniert, als im US-Kongress noch eine Bereitschaft zur Zusammenarbeit bestand und die Moderaten in beiden Parteien noch viel mehr Gewicht hatten. Der Filibuster wurde lange Zeit auch nur selten angewandt.

Das Kapitol mit Blick auf den Senat
Legende: Gemäss Duden ist «Filibuster» ein altes Wort für Freibeuter oder Partisane. In den USA ist der Filibuster jedoch keine Person, sondern ein Vorgang im Senat. Dabei verzögert oder verhindert die Minderheit mit Dauerreden ein Geschäft. Keystone

Doch in den letzten 20 Jahren hat die Polarisierung stark zugenommen, der Fraktionszwang ist wichtiger geworden und die Moderaten haben an Gewicht verloren. Deshalb sind beide Parteien – wenn sie in der Oppositionsrolle sind – dazu übergegangen, konsequent jedes Vorhaben der Mehrheitspartei mit dem Filibuster zu blockieren, quasi im Keim zu ersticken. Mit dem Resultat, dass der Kongress kaum mehr fähig ist, dringende Reformvorhaben überhaupt anzupacken. Es herrscht also weitgehend Stillstand im Kongress.

Schwarze Wählende am Wahltag 2012
Legende: Biden wird heute eine Grundsatzrede zu seinen Reformplänen halten. Diese sei wichtig als Signal an die schwarze Wählerschaft, der er seinen Wahlsieg zu verdanken hat, sagt Kündig. «Sie drängt schon lange auf eine Wahlrechtsreform. Mit seiner Rede sagt Biden: Ich nehme euer Anliegen ernst und tue alles, was in meiner Macht steht.» Keystone

Könnten die Demokraten diesen Filibuster nun für die Reform des Wahlrechtes abschaffen oder aussetzen?

Das könnten sie, denn es braucht nur ein einfaches Mehr von 51 Stimmen, um die Regeln im Senat zu ändern – zum Beispiel, um festzulegen, dass der Filibuster bei Wahlrechtsreformen nicht gilt. Aber derzeit sperren sich zwei Demokraten gegen jegliche Änderungen bei den Filibuster-Regeln: Joe Manchin und Kyrsten Sinema. Sie warnen vor diesem Tabu-Bruch und befürchten, dass eine Ausnahmeregelung unweigerlich zur vollständigen Abschaffung des Filibusters führen würde.

Republikaner warnt vor «nuklearem Winter»

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Legende: Mitch McConnell Keystone

Der republikanische Minderheitsführer im Senat, Mitch McConnell, warnt mit drastischen Worten vor einer Aufweichung oder Abschaffung des Filibuster: Die Demokraten würden damit «die Tür zur Hölle aufstossen» und darauf drohe ein «nuklearer Winter» im Senat. Konkret würden die Republikaner – so droht McConnell – mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln, etwa mit unzähligen zusätzlichen prozeduralen Abstimmungen oder endlosen Zusatzanträgen, den Parlamentsbetrieb faktisch lahmlegen. «Doch im Moment sieht es nicht danach aus, als ob es bald schon zu einer Änderung der Filibuster-Regeln kommt», schliesst Kündig. «Denn den Demokraten fehlen die nötigen Stimmen für eine Regeländerung.»

Damit könnten die Demokraten zwar all ihre Vorhaben mit einfachem Mehr durchsetzen – aber sobald die Republikaner wieder die Mehrheit hätten, könnten sie all diese Gesetze gleich wieder kippen. Das führt zu Instabilität und Rechtsunsicherheit.

Das Gespräch führte Simone Hulliger.

Echo der Zeit, 11.01.2022, 18 Uhr;

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