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Wegen des Ukraine-Kriegs Brasilien braucht Dünger – und will ihn nun im Amazonas abbauen

Russland hat den Düngemittelexport eingestellt, weil der Ausfuhrhafen in Odessa liegt. Brasiliens Landwirtschaft verbraucht Unmengen von Dünger. Rund 3.5 Milliarden Dollar gab das Land im vergangenen Jahr für den Dünger aus Russland aus. Gibt es wie jetzt keinen Dünger aus Russland, hat das Auswirkungen auf die Produktivität der Landwirtschaft.

Mais oder Soja könnten knapp werden

Um den Mangel zu lindern, will Präsident Jair Bolsonaro nun Düngemittel im eigenen Land herstellen lassen. Dafür sollen Bergbauunternehmen Kalium im Amazonas Regenwald abbauen dürfen. Kalium ist ein wichtiger Bestandteil für Düngemittel. Bolsonaro hat einen Gesetzesvorstoss gemacht. Er will indigene Reservate für den Bergbau öffnen und dort Kalium gewinnen.

Eine Mehrheit des Abgeordnetenhauses hat das geplante Gesetz als dringlich eingestuft. Kritiker vermuten hinter diesem geplanten Gesetz allerdings einen üblen Trick. Die Universität von Minas Gerais hat nämlich Daten des brasilianischen Bergbauministeriums zum Vorkommen von Kalium ausgewertet.

Grösste Kaliumreserven gar nicht im Amazonas

So lautet das Resultat der universitären Untersuchung. Der Studienleiter Raoni Rajão sagt gegenüber SRF News: «Von allen Kaliumvorkommen liegen nur elf Prozent im Amazonasgebiet. Die grössten Kaliumreserven liegen in östlichen Bundesstaaten jenseits des Amazonas. Das bedeutet, das Gesetz zu ändern, um die Förderung im Amazonas zu erlauben, ergibt keinen Sinn.»

Der Verdacht liegt also nahe, dass es Bolsonaro nur um seinen lang gehegten Wunsch geht, den Amazonas auszubeuten. Er missbraucht den Ukraine-Krieg, um den Schutz des Amazonas aufzuweichen. Zudem würde das Gesetz die Düngerkrise gar nicht lösen, denn es dauert Jahre, bevor Brasilien überhaupt mit der Förderung von Kalium beginnen könnte.

Grosse Mengen gar nicht vorhanden

Brasilien kann Kalium nicht über Nacht in grossen Mengen fördern. Das geplante Gesetz hätte also auf Brasiliens aktuelle Düngerkrise kaum Auswirkungen. Zudem muss der Vorschlag noch in den Senat. Für Bolsonaro spielt das allerdings keine Rolle. Sein Plan geht auf, er braucht die Zustimmung für dieses Gesetz gar nicht.

Denn es geht ihm in erster Linie um Wahlkampf. In einem halben Jahr sind Präsidentschaftswahlen. Die Botschaft Bolsonaros an seine Basis, an die Agrarindustrie oder an die Bergbauunternehmen ist deutlich. Wer den Amazonas ausbeuten will, kann mit ihm rechnen.

David Karasek

Journalist und Südamerika-Kenner, SRF

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David Karasek war 2021 und bis Juli 2022 Südamerika-Korrespondent von SRF. Davor war er als Produzent und Redaktor bei SRF 4 News tätig. Von 2015 bis 2018 lebte und arbeitete er bereits als freier Journalist in Kolumbien und berichtete aus Ländern wie Ecuador, Venezuela oder Kuba für mehrere Medienunternehmen. Er hat in Bogotá an der Universität Javeriana Politologie studiert und moderiert inzwischen das «Tagesgespräch» von Radio SRF.

Echo der Zeit, 7.4.2022, 18:00 Uhr

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