In Frankreich ist der Wiederaufbau der Notre-Dame in vollem Gang. Die weltbekannte Kathedrale hat einen neuen goldenen Hahn erhalten. Vier Jahre zuvor stürzte dieser beim grossen Feuer vom Dach. Frankreich-Korrespondent Daniel Voll erklärt, warum der goldene Hahn auf dem Kirchturm von so grosser Bedeutung ist.
Wieso ist der Hahn auf dem Kirchturm von so grosser Bedeutung?
Praktisch gesehen ist der Hahn auf der Kirchturmspitze ganz einfach ein Blitzableiter. Aber er hat auch eine mehrfache symbolische Bedeutung: Er erinnert zum Beispiel an Petrus, dem Christus bei seiner Verhaftung vorausgesagt hatte, er werde ihn dreimal verleugnen, bevor der Hahn gekräht habe. Das heisst, theologisch gesehen ist der Hahn auf der Kirchturmspitze eigentlich eine Aufforderung an die Gläubigen, sie sollten ein aufrichtiges Zeugnis ablegen.
Im Fall von Notre-Dame hat der Hahn noch eine weitere Bedeutung. Er ist nämlich das Wappentier Frankreichs. Zudem ist er eines der wenigen Stücke, das nicht identisch neu angefertigt wurde. Die Kathedrale wurde ja eigentlich identisch neu wieder aufgebaut. Seine Flügel haben neu die Form von Flammen und erinnern an den Brand vom 15. April 2019. Das heisst, es ist ein Symbol dafür, dass die Kathedrale von Paris aufersteht wie ein Phönix aus der Asche.
Was ist der aktuelle Stand des Wiederaufbaus?
Die Notre-Dame ist immer noch eine grosse Baustelle, aber sie nimmt Form an. Das Dachgerüst ist weitgehend fertig. Anfang Dezember wurde auch der Spitzturm wieder aufgebaut. (Der markante Turm, den man ja in der Brandnacht hat umfallen sehen und wo nun der Hahn auch seinen Platz wieder eingenommen hat.) Im Januar soll dann das Dach gedeckt und noch vor den Olympischen Spielen im Sommer soll das Baugerüst abgeräumt werden. Dann soll die Kathedrale zumindest von aussen her so aussehen wie gewohnt, auch wenn im Innern dann noch längst nicht alles fertig ist.
Geplant ist die Wiedereröffnung am 8. Dezember 2024. Wie realistisch ist das?
Zumindest gibt sich die technische Leitung der Baustelle optimistisch. Auch Präsident Macron oder seine Kulturministerin sagen, dass man diesen Termin einhalten könne. Auch wenn es dann etwas länger gedauert hat als die fünf Jahre, von denen Präsident Macron ursprünglich mal gesprochen hat. Dafür ist dieser Tag auch ein symbolischer Termin. Es ist nämlich das Fest «Mariä Empfängnis», und das ist für die Notre-Dame schliesslich auch das Fest der Kirchenpatronin.
Was sind mögliche Hürden, die man vielleicht doch noch bewältigen muss?
Es ist eine grosse Baustelle, die noch sehr viele Herausforderungen bietet. Rund 1000 Personen arbeiten an diesem Projekt, etwa die Hälfte davon auf der Baustelle und die andere Hälfte verteilt auf spezialisierte Betriebe, die einzelne Elemente anfertigen. Diese Arbeiten müssen ganz genau aufeinander abgestimmt werden, damit der Zeitplan eingehalten werden kann.
Zu reden gibt auch der Spitzturm auf dem Dach, der neu aufgerichtet ist. Er soll wieder mit Blei verkleidet werden wie der Vorgängerturm. Da geht es insgesamt um 500 Tonnen Blei. Dies weckt bei den Nachbarn auch schlechte Erinnerungen. Denn nach dem Brand schwebte noch länger eine Dunstwolke mit Bleipartikeln in der Umgebung der Kathedrale. Paris musste extra einen Aktionsplan gegen Bleiverseuchung entwickeln. Nun verlangen Politiker, dass zuerst die Schadstoffbelastung gemessen wird. Wenn ein Gericht diesen Baustopp bewilligt, dann könnte der Termin am 8. Dezember 2024 ins Wanken kommen.