Wintersturm «Johannes» hat in Skandinavien für teils chaotische Verhältnisse gesorgt. Nordeuropa-Korrespondent Bruno Kaufmann erörtert die aktuelle Lage und kennt die Probleme, die ausgerechnet im Schnee gewohnten Skandinavien zu diesem Winterchaos führen konnten.
Wie sah die Lage gestern in den skandinavischen Ländern aus?
In den betroffenen Gebieten Mittelskandinaviens führte das Sturmtief zu massiven Schäden an der Infrastruktur durch umgestürzte Bäume. In der waldreichsten Region Europas kam es zu Unterbrüchen zahlreicher Strassen- und Bahnverbindungen. Zehntausende Feiertagsreisende blieben in ihren Autos und an Bahnhöfen stecken. In Schweden starben drei Menschen durch umfallende Bäume. Hundertausende Haushalte hatten mit Stromausfällen zu kämpfen. Der Flug- und Fährverkehr wurde in grossen Teilen der Region eingestellt. Für Schlagzeilen sorgte auch das Umfallen des drei Tonnen schweren «Weihnachtsbockes» aus Stroh im mittelschwedischen Gävle.
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Bild 1 von 2. Letzte Woche stand der Gävlebocken – der «Weihnachtsbock» – noch unversehrt und in voller Pracht auf dem Platz Slottstorget . Bildquelle: SRF/Bruno Kaufmann.
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Bild 2 von 2. Doch nach dem Sturm liegt der drei Tonnen schwere und etwa 13 Meter hohe Bock aus Stroh am Boden. Bildquelle: SRF/Bruno Kaufmann.
Wo gab es am meisten Schäden?
Besonders betroffen sind die Regionen Jämtland, Härjedalen und Gästrikland in Schweden, sowie die finnischen Provinzen Österbotten, Satakunta und die autonome Inselregion Aland. Neben den Störungen von Verkehrsverbindungen durch umgefallene Bäume kam es zeitweise auch zum Ausfall des festen und mobilen Telefonnetzes. Das führte dazu, dass die Rettungsdienste nur sehr lückenhaft erreichbar waren. Laut einem Sprecher des schwedischen Energieunternehmens Ellevio handelt es sich beim Wintersturm «Johannes» um den schwersten Sturm seit zwanzig Jahren.
Was sind die grössten Probleme?
Im weitläufigen Mittelskandinavien liegen grössere Siedlungen oft sehr weit auseinander. Deshalb ist es für die Rettungskräfte und Behörden sehr schwierig, das wahre Ausmass der Schäden abzuschätzen und zum Beispiel Eisenbahnstrecken und Landstrassen freizugeben. Trotzdem sieht es so aus, dass sich die Stromausfälle gegenüber vergleichbaren früheren Winterstürmen in Grenzen halten.
Was läuft schief – ausgerechnet in den Schnee-erprobten Ländern?
Die nordischen Gesellschaften gehören zu den digitalisiertesten der Welt. Das hat bei Unterbrechungen und Störungen weitreichende Folgen. Präventiv wurden die meisten Zugverbindungen nördlich der schwedischen Hauptstadt Stockholm schon vor Eintreffen der schwersten Windböen gestrichen. Wie schon bei früheren schweren Stürmen warnten die Behörden jedoch die Bevölkerung über alle zur Verfügung stehenden Kanälen, sodass viele Menschen zuhause blieben und sich auf eine Situation ohne Strom vorbereiteten. Dazu gehören die Bereitstellung von Campingkochern, das Abfüllen von Wasserkanistern und die Sicherung von Holzvorräten für Kaminöfen, die es in vielen Haushalten gibt – wenn nicht im Wohnzimmer so in der weitverbreiteten Privatsauna.
Wie geht es jetzt weiter?
Nun geht es zunächst einmal darum, alle blockierten Strassenverbindungen zu räumen, die Bahntrassen zu kontrollieren und dafür zu sorgen, dass die weiterhin sehr zahlreichen Haushalte ohne Strom wieder an das Elektrizitätsnetz angeschlossen werden können. Noch wird vor einem Besuch in einem nahen Wald abgeraten. Viele Reisende zwischen Nord- und Südskandinavien dürften ihr Reiseziel erst morgen Montag – mit bis zu zwei Tagen Verspätung – erreichen. Welche wirtschaftlichen Schäden der Wintersturm gebracht hat, wird wohl erst zu Beginn des neuen Jahres abschätzbar sein.