20 Jahre her ist es seit dem Krieg – aber der Konflikt zwischen Serbien und Kosovo wartet immer noch auf eine dauerhafte Lösung. Kosovo hat sich längst zum unabhängigen Staat erklärt, aber Serbien will dies nach wie vor nicht anerkennen.
Jetzt haben sich Serbiens Präsident Aleksandar Vucic und Kosovos Premierminister Avdullah Hoti in Washington mit US-Präsident Donald Trump getroffen und feierlich ein Abkommen unterzeichnet. Es soll die beiden Länder wirtschaftlich näher bringen.
Stillhalte-Erklärung zur Beruhigung
Aber dieses Abkommen ist ein sehr spezielles, wenn nicht sogar seltsames Konstrukt: Das greifbarste, was es für die Beziehungen zwischen Serbien und Kosovo bringt, ist eine Stillhalte-Erklärung.
Kosovo will ein Jahr lang darauf verzichten, Beitrittsgesuche bei internationalen Organisationen zu stellen, um damit seine Unabhängigkeit als Staat zu festigen. Und Serbien will ein Jahr lang keine weiteren Staaten dazu bewegen, ihre Anerkennung Kosovos rückgängig zu machen. Das bringt ein bisschen Ruhe in die Beziehungen, aber ein Durchbruch ist das nicht.
Weiter beinhaltet das Abkommen eine ganze Reihe von Absichtserklärungen, die jeweils nur in ein bis drei Sätzen umrissen sind. Ohne konkrete Massnahmen, ohne Zeitplan. Das sind Verpflichtungen, die man schon früher eingegangen ist, noch einmal neu verpackt, zum Beispiel der Bau von Eisenbahnen und Autobahnen.
Mini-Schengen als Papiertiger
Neu ist, dass sich Kosovo verpflichtet, beim sogenannten Mini-Schengen mitzumachen, einer serbischen Idee für Freihandel zwischen Albanien, Serbien, Nordmazedonien und jetzt auch Kosovo. Damit sollen die vielen kleinen Handelshürden abgebaut werden. Bisher ist das Projekt aber ein Papiertiger.
Insgesamt entspricht das Abkommen also dem, was die Experten erwartet haben – eine Vereinbarung, die wirtschaftlich einiges verspricht, aber nichts garantiert. Und welches Donald Trump erlaubt, dem unwissenden amerikanischen Publikum vor den Präsidentenwahlen vollmundig einen aussenpolitischen Durchbruch zu verkünden.
Die Verbindung nach Israel
Den Verdacht, dass es bei dieser Veranstaltung in erster Linie um den Wahlkampf von Präsident Trump geht, erhärtet auch die grosse Überraschung, die das Abkommen mit sich gebracht hat: Völlig unerwartet gab Trump bei der Unterzeichnung bekannt, dass sich Serbien verpflichtet habe, seine Botschaft in Israel nach Jerusalem zu verlegen und dass Israel und Kosovo diplomatische Beziehungen aufnehmen. Die Botschaft Kosovos soll dabei ebenfalls in Jerusalem eingerichtet werden.
Es ist ein seltsames Geschäft über mehrere Ecken zwischen Balkan, Nahost und den USA, bei dem alle etwas bekommen:
- Kosovo wird von einem Land mehr anerkannt – ein Punkt für Premier Hoti.
- Serbiens Präsident Vucic schmiegt sich bei Donald Trump an und sichert sich so für den Fall von Trumps Wiederwahl dessen künftige Unterstützung für seine umstrittene autoritäre Politik.
- Israel bekommt zwei weitere Botschaften in Jerusalem, jetzt erstmals auch von Ländern in Europa.
- Und Donald Trump ist der grosse Gewinner. Innenpolitisch bringen ihm die Botschaftsstandorte in Jerusalem Punkte bei evangelikalen und jüdischen Wählern.
Die Bevölkerung Serbiens und Kosovos darf dabei zuschauen. Der praktische Nutzen steht in den Sternen.