Diese Szene sagt alles: Der republikanische Präsidentschaftskandidat Marco Rubio verkündet letzte Woche vor sozialkonservativen Wählerinnen und Wählern in Washington die überraschende Nachricht, John Boehner habe soeben auf Ende Oktober seinen Rücktritt erklärt. Das Publikum tobt: Standing Ovation, Jubel Begeisterung.
Ein anderer Präsidentschaftskandidat, Ted Cruz, der 2013 den Government-Shutdown orchestriert hat, kann seine Schadenfreude nicht verbergen: «Seht nur, was ihr bewirken könnt», frohlockt er auf der Bühne. «Könnt ihr nicht öfter nach Washington kommen?»
Vom Wortführer zum Verräter
John Boehner, der seit 2011 Chef des Repräsentantenhauses ist, der drittwichtigste Job im Land, ist für viele im Publikum ein Verräter: «Boehner sagt zwar, er sei konservativ, aber in Tat und Wahrheit hat er immer das gemacht, was Obama wollte», sagt Randy Wilson, der aus Colorado angereist ist. Er kommt zum Schluss: «Für uns von der sozialkonservativen Bewegung ist Boehners Abgang eine gute Sache.»
Jetzt müsse sie aufpassen, dass sie nichts Unhöfliches sage, erklärt Dran Reese aus Kalifornien. Und sagt dann, diplomatisch gedrechselt: «Boehner hat die Parteianliegen nicht vertreten. Es ist Zeit, dass er geht.»
Die Bibel warnt vor falschen Propheten.
Es rumort in der Republikanischen Partei. Es sind nicht mehr nur die Sozialkonservativen und die Tea-Party-Vertreter, es ist inzwischen ein wachsendes Amalgam der Unzufriedenen, die findet, «die in Washington» würden ihre Arbeit nicht machen. Eine Revolution gegen das Polit-Establishment. Die Wut geht dabei über die Personalie Boehner hinaus. Beispiel Präsidentschaftswahlkampf: Dort führen in den Umfragen Kandidaten wie Trump, Carson und Fiorina, Leute, die noch nie in Washington politisiert haben.
John Boehner, der über einen sehr konservativen Leistungsausweis verfügt, hat lange geschwiegen oder das Problem kleingeredet. Doch in einem Interview mit dem Fernsehsender CBS platzt ihm der Kragen: «Die Bibel warnt vor falschen Propheten.» Und es gebe Leute in seiner Partei, im Senat und im Repräsentantenhaus, die die Menge in Ekstase versetzten, indem sie ihnen Dinge versprächen, von denen sie wüssten, dass sie gar nicht möglich seien.
Die Stunde der Rechtspopulisten
Ein konservatives Programm durchboxen, so, als gäbe es weder Demokraten noch Präsident Obama. Eric Cantor, der die Nummer 2 hinter Boehner war, bis er seine Wiederwahl gegen einen Tea-Party-Herausforderer verlor, bläst auf CNN ins gleiche Horn. Die republikanische Wählerschaft vergesse, dass es für viele Vorlagen ein qualifiziertes Mehr brauche und Obama zudem das Veto-Recht besitze.
«Es reicht diesen Leuten heute nicht mehr, dass wir die Agenda Obamas blockieren, sie verlangen, dass wir sie ändern, was schlicht unmöglich ist. So werden wir für sie zu Verrätern», sagt Cantor. Diese Verräter gehören weg, findet die verärgerte Parteibasis rechts aussen. Sie hat derzeit so viel Gewicht, dass Boehner unbedingt vor einem geplanten Misstrauensvotum im Repräsentantenhaus abtreten wollte.
Er hätte dieses, wie andere davor, gewonnen. Doch er machte sich Sorgen um die konstruktiveren Kräfte in der Fraktion: «Ich wollte nicht, dass diejenigen, die für mich gestimmt hätten, von den eigenen Wählern unter Druck kommen und am Ende 2016 durch radikalere Kandidaten ersetzt werden.»
Eine letzte Genugtuung bleibt. John Boehner wird rechtzeitig über das Bundesbudget abstimmen lassen und jenen einen Strich durch die Rechnung machen, die einen erneuten Government-Shutdown planen und die Verwaltung einmal mehr lahmlegen wollen. Ein funktionierender Politbetrieb ist ihm wichtiger als reine Parteipolitik.