Die Hausdienerin Cleo, gespielt von Yalitza Aparicio, putzt von früh bis spät, räumt auf und sorgt sich um die vier Kinder, während ihre Arbeitgeber in Eheschwierigkeiten stecken. Für diese Rolle wurde die indigene Schauspielerin bei den Oscars in Hollywood für die beste Hauptrolle nominiert. Im Film von Regisseur Alfonso Cuarón, der schliesslich drei Oscars abräumte.
«Verdammte Indianerin»
Die Nomination von Aparicio sorgte für einigen Wirbel in Mexiko. Der bekannte Telenovela-Schauspieler Sergio Goyri äusserte sich abschätzig über die indigene Schauspielerin: «Verdammte Indianerin, die musste ja nur sich selbst sein und bloss ‹Si, Senõra – No, Señora sagen›.» Diese Aussagen sorgten auf sozialen Medien und im Fernsehen für hitzige Debatten. Goyri musste sich schliesslich entschuldigen.
Seine ursprüngliche Reaktion sei typisch, sagt die Soziologieprofessorin Natividad Gutierrez, die an der Nationalen Autonomen Universität in Mexiko-Stadt lehrt. Die Aussagen Goyris zeigten, wie stark Vorurteile und Klischees gegenüber indigenen Frauen seien. Viele Mexikaner könnten sich gar nicht vorstellen, dass eine indigene Frau eine andere Tätigkeit ausüben kann, als in einem Haushalt zu dienen und herumkommandiert zu werden.
Indigene gelten noch immer als zurückgeblieben, dumm, störrisch – und viele Mexikaner glauben, dass Indigene keine Ahnung haben von der Moderne, von Politik und Technologie, wie Gutierrez ausführt.
Von Geburt an im Nachteil
Bewerben sich Indigene auf Arbeitsstellen, hätten sie häufig keine Chance, wegen ihrer Hautfarbe, Sprache und sogar wegen ihrer Körpergrösse. Die meisten seien deshalb im sogenannt informellen Sektor beschäftigt, ohne Arbeitsvertrag oder Sozialleistungen – als Haushaltshilfen, auf Baustellen oder als Verkäuferinnen auf Märkten.
Indigene gelten als zurückgeblieben, dumm, störrisch – ohne Ahnung von Moderne, Politik und Technologie.
Trotzdem gebe es zahlreiche Indigene, die eine höhere Schulbildung absolvierten und den sozialen Aufstieg schafften. Aber diese verheimlichten später meist ihre indigene Herkunft, weil sie entweder Nachteile befürchteten oder sich schämten. Eine Ausnahme sei ihr Assistent, der dem Volk der Zapoteken entstamme.
Verspottet und ausgeschlossen
Diskriminierung gibt es laut den Worten von Gutierrez zum Beispiel auch im Gesundheitswesen. Es sind Fälle bekannt von indigenen Frauen, die ihre Kinder draussen vor den Toren von Spitälern gebären mussten, weil ihnen der Zutritt verweigert wurde. Mit der Begründung, Indigene seien schmutzig und sprächen eine Sprache, die sie nicht verstünden. «Die meisten Mexikaner sind sich gar nicht bewusst, wie rassistisch sie sind. Sich über Indigene lustig zu machen, ist für viele normal», so die Soziologin.
Kleine Lichtblicke – und ein roter Teppich
Seit einigen Jahren gibt es Bemühungen, die Situation von Indigenen zu verbessern. Zum Beispiel werden an Universitäten Stipendien an Indigene vergeben. Auch ist ein Gesetz in Vorbereitung, dass indigenen Haushaltshilfen mehr Schutz und eine bessere Bezahlung bringen soll.
Die meisten Mexikaner sind sich gar nicht bewusst, wie rassistisch sie sind.
Der Film «Roma» und die Oscar-Nomination für Yalitza Aparicio geben diesen Bemühungen Auftrieb. Vor allem aber habe der Film auf den Mittelstand gewirkt wie ein Elektroschock, denn er halte der mexikanischen Bevölkerung den Spiegel vor: «Yalitza Aparicio hat auf dem roten Teppich bewiesen, dass Indigene ebenso schön und erfolgreich sein können wie alle anderen Mexikanerinnen und Mexikaner.»