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Youtube, Google & Co. «Die Gesellschaft wird durch gebündelte Meinungsmacht erpressbar»

US-Konzerne wie Google, Meta und Amazon haben laut Medienwissenschaftler Martin Andree Monopole errichtet, die unsere Gesellschaft erpressbar machen. Er warnt davor, dass sie die Demokratie gefährden.

Martin Andree

Medienwissenschaftler

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Martin Andree, Medienwissenschaftler an der Universität Köln, forscht seit Jahren zur marktbeherrschenden Stellung grosser US-Technologiekonzerne wie Meta, Amazon, Microsoft und X.

SRF News: Ein bisschen Whatsapp, ein paar Bilder auf Instagram, das kann doch kein Problem sein – denken viele. Wieso soll uns das interessieren?  

Martin Andree: Das ist eine normale Reaktion, weil die Menschen die Monopole gar nicht erkennen. Wir sehen Millionen von Webseiten. Was wir nicht merken: Die gesamte Nutzung konzentriert sich auf ganz wenige Angebote. Wer diese kontrolliert, kontrolliert die Informationen, die wir bekommen. Das ist eine Bündelung von Meinungsmacht, die uns als Gesellschaft erpressbar macht.

Sie vergleichen das mit dem Feudalismus im Mittelalter. Wie müssen wir das verstehen?

Im Mittelalter wurde Feudalherrschaft durch die Monopolisierung von Land geschaffen. Als Bauer waren Sie auf das Wohlwollen des Lehnsherrn angewiesen.

Die Tech-Konzerne kontrollieren die lebensnotwendige Ressource unserer Zeit: Aufmerksamkeit.

Heute ist es ganz ähnlich. Die Tech-Konzerne kontrollieren mit ihren Plattformen die lebensnotwendige Ressource unserer Zeit: Aufmerksamkeit.

Aber es gibt doch Alternativen. Neben Whatsapp gibt es Signal, neben Google andere Suchmaschinen. Wieso sprechen Sie von Monopolen?

Das ist das Scheinargument der Konzerne. Ja, es gibt Alternativen, aber durch die Netzwerkeffekte und die gebauten Mauern können diese kaum in den Markt eintreten. Sie bekommen auch keine Investorengelder, weil der Wettbewerb nicht fair ist. So bleibt ihre Qualität oft hinter derjenigen der Monopolisten zurück. Ein Monopolist wie Google kontrolliert 90 Prozent der Aufmerksamkeit im Suchmaschinenmarkt. Beim Rest gibt es praktisch keine Nutzung, da geht keiner jemals hin. Fast das ganze Internet ist ein grosser Friedhof.

Gruppe von Menschen geht die Strasse entlang und schaut auf ihre Handys.
Legende: Wir halten zwar das Smartphone in der Hand, aber die Tech-Konzerne haben uns dabei in der Hand: Laut Medienwissenschafter macht uns die Bündelung von Meinungsmacht als Gesellschaft erpressbar. Dmitri Lovetsky/Keystone

Sie sagen, wer die Plattformen kontrolliert, entscheidet über das Schicksal unserer Demokratie. Überschätzen Sie da nicht die Rolle der sozialen Medien?

Demokratien basieren auf Vielfalt und Gewaltenteilung. Genau das haben wir in den digitalen Medien nicht mehr.

Die Machtkonzentration ist ein Widerspruch zu einer freien, demokratischen Ordnung.

Google hat 90 Prozent Marktanteil bei der Suche, Meta 85 Prozent bei Social Media. Diese Machtkonzentration ist ein Widerspruch zu einer freien, demokratischen Ordnung. Zudem verstärken die Algorithmen den Streit in unserer Gesellschaft, weil aufwieglerische Inhalte mehr Interaktion erzeugen.

Welche Massnahmen fordern Sie gegen die Macht der Technologiekonzerne?

Wir müssen den Wettbewerb wiederherstellen. Erstens: Plattformen müssen offen sein. Sie müssen Links nach draussen zulassen, ohne deren Reichweite zu beschneiden. Zweitens: Wir brauchen offene Standards, wie wir sie von der E-Mail kennen. Dann könnte man Inhalte über Dutzende Plattformen verteilen. Ein Youtuber wäre nicht mehr im Knast von Youtube gefangen, sondern könnte seine Community überall erreichen. Wir haben in den 90ern das deutsche Telekom-Monopol geöffnet, aber heute betreiben wir Protektionismus für US-Konzerne. Das ist absurd.

Das Gespräch führte David Karasek.

SRF 4 News, 15.9.2025, 13 Uhr ; 

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