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Rio-Tinto-Konzern: Sprengung der heiligen Stätte war falsch
Aus SRF 4 News aktuell vom 11.09.2020. Bild: Keystone/sda
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Zerstörtes Erbe Australiens Journalist: «Vandalismus an der ältesten Kultur ist alltäglich»

Der CEO des australisch-britischen Bergbaukonzerns Rio Tinto, Jean-Sébastien Jacques, und zwei weitere Manager treten zurück, weil ihre Firma zwei heilige Stätten australischer Ureinwohner gesprengt hat. Eisenerz sollte dort abgebaut werden. SRF-Mitarbeiter Urs Wälterlin über die Hintergründe.

Urs Wälterlin

Urs Wälterlin

SRF-Mitarbeiter Australien

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Der gebürtige Basler Urs Wälterlin, Link öffnet in einem neuen Fensterim Browser öffnen lebt seit 1992 in der Nähe der australischen Hauptstadt Canberra. Er berichtet von dort für SRF über Australien, Neuseeland und Ozeanien.

SRF News: Der Konzernchef hat sich im australischen Senat für die Zerstörung der Stätte entschuldigt. Wieso tritt er nun trotzdem zurück?

Urs Wälterlin: Es war in erster Linie der wachsende Druck vonseiten der Aktionäre der Investoren. Die Unternehmensspitze hatte die Sprengung dieser beiden Höhlen zu Beginn noch als notwendig verteidigt. Dann aber wurde sie zunehmend versöhnlicher. Am Freitag liess die Firma dann verlauten, was in Juukan passiert sei, sei falsch gewesen.

Die zerstörten Höhlen galten als einer der ältesten Orte menschlicher Behausungen auf der Welt,

Wie kommt der Rücktritt in der Öffentlichkeit an?

Er führt in der australischen Öffentlichkeit sicher nicht zu einer grossen Debatte. Doch unter den Aborigines und den Leuten, die sich damit befassen, wird dieser Rausschmiss als wichtige Entwicklung gewertet. Kritiker hoffen, dass der Fall ein Umdenken ausgelöst hat, auch unter den Aktionären von Firmen. In Australien waren die bis anhin nicht bekannt für einen nachhaltigen Umgang mit Kulturgütern.

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Legende:Die Juukan-Schlucht vorher und nachherLinks: Juni 2013, rechts: Mai 2020AFP PHOTO / PKKP ABORIGINAL CORPORATION

Wie bedeutend waren diese beiden Stätte für die australischen Ureinwohner?

Die zerstörten Höhlen galten als einer der ältesten Orte menschlicher Behausungen auf der Welt, nicht nur in Australien. Archäologen hatten jahrelange Ausgrabungen durchgeführt, die zeigten, dass Aborigines diese beiden Felsformationen über 46’000 Jahre als Behausung und Unterstände genutzt hatten.

Ein 6000 Jahre altes menschliches Haar konnte genetisch mit im Gebiet lebenden Menschen in Verbindung gebracht werden.

Forscher fanden sogar ein 6000 Jahre altes menschliches Haar, das dann analysiert wurde. Es konnte genetisch mit im Gebiet lebenden indigenen Bewohnern in Verbindung gebracht werden. Diese Höhlen galten auch als sehr wichtige heilige Stätten für die Ureinwohner.

Rio Tinto hatte die Erlaubnis der Behörden, diese Stätten zu sprengen. Weshalb wurde diese trotz Kritik der Ureinwohner erteilt?

Die Sprengung mag aus moralischer Sicht fragwürdig sein, aber aus juristischer Perspektive ist sie es nicht. Sie war vom Bundesstaat Westaustralien im Rahmen eines üblichen bürokratischen Verfahrens routinemässig bewilligt worden. Eine Expertin für Bergbaurecht hat mir jüngst gesagt, dieser Bewilligungsprozess sei in den meisten Bundesstaaten Australiens stark auf die Wirtschaft ausgerichtet.

Unternehmen hätten bei Ablehnung gar das Recht, ein Wiedererwägungsgesuch einreichen zu können. Die Aborigines, die traditionellen Besitzer der heiligen Stätte, haben dieses Recht nicht. Es blieb ihnen daher nichts anderes übrig, als die Zerstörung hinzunehmen.

Wird diese Entwicklung in der australischen Wirtschaft etwas ändern im Umgang mit heiligen Stätten von den Ureinwohnern?

Wie gesagt, Kritiker hoffen, dass dieser Fall ein Umdenken bringt. Rio Tinto ist immerhin die zweitgrösste Bergbaufirma der Welt. Aktionäre sind oftmals nicht unbedingt gross an solchen Themen interessiert.

Es ist ein offenes Geheimnis, dass viele Bauern nicht lange fackeln, wenn es darum geht, ob eine kulturelle Stätte oder eine neue Weide den Vorrang haben soll.

Da gehts in erster Linie um den Gewinn. Und man darf nicht vergessen: Solcher Vandalismus an der ältesten überlebenden Kultur der Welt ist in Australien leider alltäglich. Es sind nicht immer grosse Höhlen. Oftmals sind es kleine Stätten. Und Täter sind nicht immer Bergbauunternehmen. Es ist ein offenes Geheimnis, dass viele Bauern nicht lange fackeln, wenn es darum geht, ob eine kulturelle Stätte oder eine neue Weide den Vorrang haben soll. Sie entscheiden mit dem Bulldozer.

Das Gespräch führte Daniela Püntener.

Video
Aus dem Archiv: Die Welt der Aborigines
Aus Sternstunde Philosophie vom 12.11.2017.
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SRF 4 News, 11.09.2020; 10:45 Uhr;

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