Von wegen Schneckenhaus: «Schnecken sind mutige Tiere», erklärt Alexis Famy. Natürlich ziehen sich die Schnecken in der Trockenheit ins Haus zurück. «Doch wenn es regnet, kommen sie raus. Sie sind neugierig.»
In der Schneckenfarm regnet es jeden Tag. Mit der Giesskanne wässert Famy die grossen laubbedeckten Becken. Rund 20 Riesenschnecken verstecken sich pro Quadratmeter unter dem Laub. Sie werden über 350 Gramm schwer.
Gefüttert werden die Tiere mit Blättern von Pflanzen wie Süsskartoffel oder Papaya. Nach rund einem Jahr sind sie ausgewachsen.
Schnecke wird vollständig verwertet
Die Schneckenfarm in Azaguié gehört Unternehmer Bernus Bleu. Der rundliche Mann mit Brille und Hut hat vor sieben Jahren begonnen, Schnecken zu züchten. Man verwende alle Teile der Schnecke, erklärt Bleu: «Das Fleisch zum Essen, den Schleim für Kosmetikprodukte, die Schale für Tierfutter – weil sie aus Kalzium ist. Nichts wird weggeworfen.»
Der Ivorer hat mit neun Angestellten begonnen, heute beschäftigt er 100 Personen und besitzt nach eigenen Angaben die grösste Schneckenfarm Afrikas. Tonnenweise Schnecken produzieren der Betrieb und seine Zulieferer jeden Monat.
Auch Seife und Duschgel stellt Bleus Firma «Côte d’Ivoire Expertise Escargot» her. Der Schneckenschleim ist reich an Kollagen, das die Haut jung halten soll.
Produktion verzehnfacht
Ein Teil der gezüchteten Schnecken wird lebend in Nachbarländer der Elfenbeinküste exportiert, oder tiefgefroren nach Frankreich. Dort organisiert Unternehmer Bleu gar Kurse zur Schneckenzucht, mit dem Ziel, neue Schneckenfarmer zu finden: «Franzosen und Ivorer aus Frankreich sollen zu uns kommen und investieren. Es hat Platz für 100‘000 Produzenten.»
Laut der ivorischen Regierung hat sich die Schneckenproduktion in den letzten fünf Jahren verzehnfacht im westafrikanischen Land. Die Tiere könnten künftig gar einen Beitrag zur Ernährungssicherheit leisten, glaubt Firmenbesitzer Bleu.
Schnecken im Eintopf oder am Spiess
Derzeit sind sie aber vor allem eine Delikatesse. Auf dem Markt in der nahegelegenen Wirtschaftsmetropole Abidjan kostet eine Riesenschnecke rund zwei Franken – etwa doppelt so viel wie Rindfleisch.
Eine Kundin lässt sich Schnecken einpacken. Es soll Schneckeneintopf mit Gemüse zum Nachtessen geben. In Restaurants werden die Schnecken vor allem als Spiesschen angeboten.
Das Fleisch ist von der Konsistenz mit Muscheln zu vergleichen, schmeckt aber erdiger und ist etwas gummig. Alexis Famy, der Schneckenbetreuer, konsumiert kaum mehr Schneckenfleisch. «Als wahrerer Ivorer liebe ich Schnecken. Doch die hier im Gehege verkaufe ich lieber, statt sie zu essen.»
Auch in Europa gelten Schnecken vielerorts als Delikatesse. In der Schweiz landen die Tiere jedoch selten auf dem Teller. Viele ekeln sich gar. Züchter Famy lacht: «Die Schweiz hinkt da wohl etwas hinterher. Aber ihr werdet schon auch noch realisieren, dass Schnecken köstlich sind.»