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Zwangsarbeiter in Katar «Die WM hat die Menschenrechtssituation ins Rampenlicht gerückt»

Katar soll ab 2020 ein Abhängigkeitssystem für Arbeiter abschaffen. Doch es gebe noch viel zu tun, meint ein Kenner.

In den arabischen Golfstaaten sind Millionen von ausländischen Arbeitsmigranten dem sogenannten «Kafala-System» unterstellt. Dieses führt zu einer totalen Abhängigkeit des Arbeiters von seinem Arbeitgeber. Katar hat kürzlich angekündigt, dieses System bis im Januar 2020 abzuschaffen. Man müsse abwarten, wie sich diese Änderung auswirke, meint Experte Mustafa Kadri.

Mustafa Kadri

Menschenrechtsexperte

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Kadri ist spezialisiert auf Arbeitsrecht im Golf und hat für Amnesty International die erste umfassende Studie über die Situation von Bauarbeitern auf den Baustellen der Fifa-Fussballweltmeisterschaft 2022 in Katar verfasst.

SRF News: Katar will das «Kafala-System» abschaffen – ist diese Ankündigung glaubwürdig?

Ich denke schon. Es werden Gesetze verabschiedet und diese greifen die entscheidenden Punkte des «Kafala-Systems» auf, die Menschenrechtsexperten wie ich schon lange als zentral bei der Ausbeutung von Arbeitern bezeichnen.

«Kafala-System»

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In Katar hat das «Kafala-System» Tradition. Arbeiter haben einen Sponsor und einen Förderer, der sie nach Katar holt, ihnen eine Arbeitserlaubnis beschafft – und im Normalfall ist dieser Förderer auch ihr Arbeitgeber. Wenn Sie Ihre Stelle wechseln oder das Land verlassen wollen, müssen Sie Ihren Sponsor um Erlaubnis bitten.

Dieses System will Katar nun aufheben. Aber das Machtgefälle zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer gibt es trotzdem. Um nach Katar zu kommen, bezahlt ein Arbeiter einem Vermittler in seiner Heimat eine grosse Summe, oft illegal. Das bringt ihn in eine finanzielle Notlage, er muss das Darlehen abzahlen. Die meisten Arbeitsmigranten kommen aus grosser Armut, stammen aus den ärmsten Ländern der Welt. Sie brauchen dringend Geld – und in diesem Machtgefälle ist es dann wenig wahrscheinlich, dass sie sich über ihre Situation beklagen. (Mustafa Kadri)

Entscheidend ist aber der Vollzug. Die Frage wird sein: Werden die armen Wanderarbeiter im reichen Katar das Gefühl oder die Gewissheit haben, dass sie ihre Menschenrechte auch wirklich wahrnehmen können?

Gehen Sie davon aus, dass sich die Arbeitsbedingungen verbessern und die Standards erhöht werden?

Wir hören anekdotenhaft von Beispielen, bei welchen sich die Arbeitsbedingungen verbessert haben. Die Arbeiter sagen uns, dass es durchaus Wege gibt, auf ihre Situation aufmerksam zu machen. Zu Bedenken gibt es jedoch auch folgendes: Katar ist ein Land im arabischen Golf, keiner der Golfstaaten ist eine Demokratie. Die Region ist politisch sehr volatil und es gibt viele Einschränkungen der Menschenrechte.

Männer in Speisesaal am essen.
Legende: Die Situation vieler Arbeiter in den Golfstaaten ist äusserst heikel. Reuters

Unabhängige Beobachter und Menschenrechtsaktivisten können etwa gar nicht erst in die Vereinigten Arabischen Emiraten oder Saudi-Arabien einreisen. Katar gebührt Anerkennung dafür, dass ein Dialog über Arbeiterrechte stattfinden kann.

FC Liverpool will Zeichen setzen

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Es ist gross, luxuriös und liegt auf einer künstlichen Insel vor Doha, mit Blick auf den Persischen Golf. Das Fünf-Sterne-Hotel Kempinski, auch Marsa Malarz genannt. Der FC Liverpool aber will nicht dorthin. Der aktuelle Champions-League-Sieger hat das Angebot der Fifa abgelehnt. Als Grund für die Absage nennen die Engländer Verstösse gegen das Arbeitsgesetz und den Mindestlohn beim Bau des Luxushotels. Diese Verstösse hat die britische Tageszeitung «The Guardian» 2018 bei einer Recherche aufgedeckt.

Als einer der ganz grossen Klubs im internationalen Fussballgeschäft will der englische Verein damit ein Zeichen im Kampf gegen Menschenrechtsverletzungen setzen. Auch weil der Klub vor vier Jahren den «Modern Slave React» des britischen Parlaments unterzeichnet hat. Damit verspricht der FC Liverpool sich an Richtlinien zur Bekämpfung von Sklaverei und Menschenhandel zu halten.

Für die Klub-WM in Katar in einem Monat hat sich der FC Liverpool nun für ein Hotel auf dem Festland entschieden. Dieses soll unter annehmbaren Arbeitsbedingungen erstellt worden sein. (srf)

Trotzdem bleibt noch sehr viel Arbeit: Es gibt mehr als zwei Millionen Arbeitsmigranten in Katar, die meisten von ihnen im Niedriglohn-Bereich und viele von ihnen werden ausgenutzt. Es wird viele Jahre dauern, diese Situation zu verbessern.

Wieso kündigt Katar gerade jetzt die Abschaffung des «Kafala-Systems» an?

Als Katar den Zuschlag für die Fussball-Weltmeisterschaft 2022 erhielt, erhöhte sich der öffentliche Druck. Dazu beigetragen hat vermutlich auch, dass sich Katar mit seinen Nachbarn Saudi-Arabien und den Emiraten in einem geopolitischen Zwist befindet.

Der Zuschlag der Fussball-Weltmeisterschaft hat die Menschenrechtssituation in Katar ohne Zweifel ins Rampenlicht gerückt.

Vor ein paar Jahren wurde bei der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) in Genf eine offizielle Klage gegen Zwangsarbeit in Katar eingereicht. Auf dieser Grundlage wurde das Land von der ILO unter Beobachtung gestellt, was ein gravierender Schritt ist, der bisher nur in wenigen Ländern gemacht wurde. Das war für Katar eine grosse Peinlichkeit.

Plakat von Fussball-WM 2022 in Katar.
Legende: «Als Katar den Zuschlag für die Fussball-Weltmeisterschaft 2022 erhielt, erhöhte sich der öffentliche Druck», so Kadri. Reuters

2017 einigte sich das Land mit der ILO und Gewerkschaften auf Reformen. Das zeigt: wenn es öffentlichen Druck gibt und ein Staat ein Interesse daran hat, sein Ansehen in der Welt zu verbessern, eröffnet das die Chance, die Menschenrechtssituation in dieser Gesellschaft zu verbessern.

Für die Arbeitsmigranten in Katar war es somit gut, dass das Land den Zuschlag zur Austragung der WM erhalten hat?

Der Zuschlag hat die Menschenrechtssituation in Katar ohne Zweifel ins Rampenlicht gerückt. Das ist in den Nachbarländern anders. Wir sollten nicht vergessen, dass die Bedingungen für Wanderarbeiter in den Emiraten, Saudi-Arabien, Kuwait und Bahrain auch schlecht sind. Diese Länder erhalten nicht die gleiche Aufmerksamkeit wie Katar.

Das Gespräch führte Simone Hulliger.

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