SRF News: War es das mit der Wiedervereinigung Zyperns?
Fredy Gsteiger: Offiziell sind Verhandlungen zwar nicht gescheitert , aber die Chancen für eine Lösung sind gesunken. Denn die alles entscheidende Frage, was passiert mit den 30‘000 türkischen Soldaten in Nordzypern, bleibt ungeklärt.
Was wurde hingegen geklärt?
Man ist sich einig, dass Zypern ein Bundesstaat werden soll und das wiedervereinigte Zypern als Ganzes Mitglied der EU wird. Weitgehend angenähert hat man sich auch in den Fragen der Grenzziehung zwischen den beiden Landesteilen, der Entschädigungen und dem Rückkehrrecht von Vertriebenen.
Verzögert die Türkei eine Einigung bewusst?
Ja und Nein, denn die Interessen Ankaras sind ambivalent. Eine Einigung wäre ein aussenpolitischer Erfolg für Erdogan und man könnte zudem jedes Jahr mehrere Milliarden an Subventionen für den Norden sparen – in Zeiten einer schwächelnden Wirtschaft ein nicht unwesentlicher Faktor. Vor allem aber hätte die Türkei nach der Vereinigung über die türkische Volksgruppe auch Einfluss auf die Politik der EU, könnte ein Stück weit in die EU hineinregieren – wie der Fall Walloniens beim Freihandelskommen der EU mit Kanada gezeigt hat.
Was lässt Ankara zögern?
Historisch gesehen hat die Türkei schon sehr viele Mittelmeerinseln verloren. Zypern wäre eine weitere in dieser langen Kette und somit eine nationale Kränkung. Ausschlaggebender für ein Nein ist aber wahrscheinlich das Militär. Es will seine Truppen in Nordzypern belassen und so sicherstellen, dass Nordzypern weiterhin quasi eine türkische Provinz bleibt.
Eine diffuse Gemengelage. Kommt die Wiedervereinigung dennoch?
Das ist sehr schwierig zu beurteilen. Aber wenn das Problem nicht jetzt gelöst wird, dann wahrscheinlich nie. Denn hauptsächlich die Älteren hängen an der Idee eines vereinigten Zyperns. Die Jüngeren haben sich mit der Teilung schon lange arrangiert, kennen es gar nicht mehr anders. Und ebenso entscheidend ist: Auf beiden Seiten amten derzeit Präsidenten, die bereit sind, Kompromisse einzugehen und versöhnlich agieren. Das könnte sich mit den nächsten Wahlen schon wieder ändern.
Das Gesprach führte Uwe Mai