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Umgang mit dem Wolf Das Stimmvolk schiesst das Jagdgesetz ab

Der Wolfsschutz in der Schweiz wird nicht gelockert. Die Stimmbevölkerung hat die Revision des Jagdgesetzes abgelehnt.

Jagdgesetz

Eidg. Vorlage: Änderung des Jagdgesetzes

  • JA

    48.1%

    1'530'811 Stimmen

  • NEIN

    51.9%

    1'653'873 Stimmen

  • Das Jagdgesetz wird mit 51.9 Prozent abgelehnt.
  • Bei den Resultaten zeigte sich ein Graben zwischen Bergkantonen und städtischen und Westschweizer Kantonen.

Von den fünf nationalen Vorlagen, die am Sonntag zur Abstimmung kamen, war das revidierte Jagdgesetz im Vorfeld des Abstimmungskampfs wohl die umstrittenste. Es ging sehr lange, bis überhaupt eine Aussage zum Ausgang der Abstimmung gemacht werden konnte. Doch am Ende war klar: Das Jagdgesetz scheitert sehr knapp. Es war das Mittelland und die Westschweiz, die den Ausschlag zum Nein beim Jagdgesetz gaben.

Lukas Golder vom Institut gfs.bern interpretiert das Ergebnis zum Jagdgesetz folgendermassen: «Die Berggebiete und Kantone der Zentralschweiz stimmten für das Jagdgesetz. Das grosse Mittelland zusammen mit der Westschweiz, wo viele Leute wohnen, haben heute den Ausschlag zum Nein gegeben.» Die Wahlbeteiligung beim Jagdgesetz lag bei 59.3 Prozent.

Präventive Abschüsse

Insgesamt haben also die Argumente von Links-Grün und den Tier- und Umweltverbänden, die gegen die Vorlage das Referendum ergriffen hatten, im Abstimmungskampf mehr überzeugt. Da war immer wieder – und auch am Wahlsonntag – von einem «Abschussgesetz für den Wolf» die Rede, von «einem missratenen Gesetz, das Wildtiere bedrängt».

Es waren vor allem die neu erlaubten präventiven Abschüsse von einzelnen Wölfen sowie die vorgesehene legitimierte Regulierung von Wolfsrudeln, die die Gemüter der Gegner erhitzten. Es sei ein Widerspruch, ein geschütztes Tier zu töten, ohne dass es jeglichen Schaden angerichtet habe, lautete der Tenor. So mache das revidierte Jagdgesetz Abschüsse «auf Vorrat» möglich.

Gegner befürchteten weniger Artenvielfalt

Die Gegner sahen in dem neuen Jagdgesetz aber nicht nur den Wolf gefährdet, sondern auch andere geschützte Tierarten. So ging im Abstimmungskampf fast schon unter, dass die Regulierungsregeln nicht nur für den Wolf, sondern auch für den Steinbock gelten sollten.

Umweltschützer warnten, dass schon bald auch der Biber oder der Luchs auf dieser Abschussliste stehen könnten. Dabei wurde auf einen Gesetzesartikel verwiesen, der festhält, dass der Bundesrat ohne die Zustimmung des Parlaments oder des Volks weitere geschützte Tierarten als regulierbar erklären kann. Der Bundesrat dementierte solche Pläne. Die Gegner zogen das Fazit: «Was die Revision tatsächlich mit sich bringt, ist weniger Artenschutz.»

Das alte Gesetz ist das neue

Mit dem Nein zum revidierten Jagdgesetz bleibt das Gesetz von 1986 in Kraft. Die Gegner kündigten schon vor der Abstimmung an, dass nach der Ablehnung bald die Arbeiten an einer neuen Vorlage begonnen werden sollen, um ein Gesetz zu haben, das dem Artenschutz tatsächlich gerecht werde.

Keine Angst vor dem Wolf – in den Städten

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Einschätzung von Bundeshaus-Redaktor Curdin Vincenz:

Das knappe Nein des Volkes zum Jagdgesetz ist eine Niederlage für den Bundesrat und die bürgerlichen Parteien. Ihnen ist es nicht gelungen, einer Mehrheit klar zu machen, dass es schärfere Massnahmen gegen den Wolf braucht und dass die Kantone früher eingreifen können sollten. Und auch das Argument der Gegner, was mit dem neuen Gesetz dem Wolf blühe, könnte bald auch für andere geschützte Tiere, wie Luchs, Bieber oder Graureiher gelten, konnten sie nicht ausräumen.

Ausgeprägt zeigt sich bei den Ergebnissen ein Graben zwischen Stadt und Land, zwischen Berg und Tal. Ganz offensichtlich fehlt vielen Städtern das Verständnis für die Sorgen und Klagen des Schafzüchters im Wallis oder in Graubünden. Nicht zum ersten Mal zeigen sich hier zwei unterschiedliche Sichtweisen auf die Bergregionen: Jene der Städter, die dort möglichst intakte Natur suchen und jene der Einheimischen, die befürchten, die sogenannten Unterländer wollten aus ihre Heimat einen Naturpark machen.

Die knappen Sieger von heute, Umweltverbände, Grüne und SP, stehen aber auch in der Pflicht. Sie haben im Abstimmungskampf beteuert, sie wüssten, dass der Wolf auch Probleme machen könne. Einem aus ihrer Sicht vernünftigen neuen Jagdgesetz stünden sie darum nicht im Weg. Damit der Streit um den Wolf nicht noch lange weiter geht, sollten sie jetzt dafür Hand bieten.

Abstimmungsstudio, 27.09.2020, 12 Uhr ; 

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