Am Hang, an dem die Lawine in Crans-Montana ausgelöst wurde, sind fixe Sprenganlagen installiert. Es wäre also möglich, dort zu sprengen und die Lawinen kontrolliert auszulösen. Trotzdem kam es am Dienstag zu der unerwarteten Lawine, die auf die Piste niederging.
Für Peter Schwitter, Chef des regionalen Sicherheitsdienstes in der Aletschregion und ehemaliger Rettungschef, ist der Schnee entscheidend dafür, ob man sprengen kann oder nicht: «Bei Nassschnee muss man den exakt richtigen Moment treffen.» Da gehe es um Minuten. Auch die Temperatur spiele eine Rolle. «Das ist das perfide. Man will einen Hang sprengen und es passiert nichts. Und der gleiche Hang kann sich ein paar Stunden später selbst lösen.»
Technik bändigt die Natur nicht
Mittlerweile gibt es hochwertige Technologien, die bei der Erkennung und Auslösung von Lawinen helfen. «Es wäre aber vermessen zu behaupten, die Natur im Griff zu haben», sagt Peter Schwitter.
Wenn eine Sprengung nicht erfolgreich sei, müsse man Alternativen suchen. Zum Beispiel eine Piste sperren. Wenn dann aber die Leute sehen, dass keine Lawine niedergegangen ist, stellen sie den Entscheid der Sicherheitsleute in Frage. «Das ist das Dilemma», so Schwitter. «Ich beneide niemanden, der solche Entscheide treffen muss.»
Wer in eine Lawine gerät, der ist einfach machtlos.
Heute habe man aber eine komfortablere Ausgangslage als früher. Es gebe Schneemessstationen, Windmessstationen, gute Wetterprognosen – aber man müsse lernen, wie man diese Daten interpretiere. «Wir sind nicht blauäugig», sagt Schwitter, «aber Technik kann auch in die Irre führen.»
Die Natur werde sich nicht anpassen. Die Menschen wollen heute immer in die Berge, egal ob es gefährlich ist oder nicht. «Die Natur ist und bleibt stärker als wir es sind.»
Er wurde selbst einmal verschüttet
Peter Schwitter kennt die Lawinen nicht nur als Rettungschef. Im Lawinenwinter 1999 wurde er selbst Opfer. Damals riss unter anderem ein mächtiger Abgang in Evolène VS mehrere Wohnhäuser mit sich, zwölf Menschen starben. Peter Schwitter wurde von einer Lawine erfasst, die in Blatten niederging.
Mein Kollege sagte mir: Lauf um dein Leben.
«Ich bin als junger Bursche auf meiner ersten Skitour in eine Lawine geraten. Es gab zuvor eine dumpfes Grollen. Paar Sekunden später merkte ich, wie der Boden zu zittern begann. Mein Kollege sagte mir: Lauf um dein Leben.»
Er habe riesiges Glück gehabt, dass es keine Toten gab und alle überlebten. «Glücklicherweise war ich nicht ganz zugedeckt von den Schneemassen und konnte mich selbst befreien. Doch es gab komplett Verschüttete. Das war ein sehr prägendes Erlebnis, das mich auch bei meinem späteren Berufsentscheid beeinflusst hat.» Seit mehr als 20 Jahren studiert er Lawinen und versucht andere Menschen davor zu schützen.
«Wer in eine Lawine gerät, der ist einfach machtlos. Da hilft nur noch das Gebet, alles andere nicht mehr.»