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Leben nach dem Profifussball «Es ist schön, wieder ohne Schmerzen aufzustehen»

Im Jahr 2019 hat sich sein Leben komplett verändert: Bis Ende Mai hatte Steve von Bergen noch das durchgetaktete Leben eines Profifussballers – klar geregelt, wie viel er trainiert, isst, schläft. Dann, nach 19 Jahren im Profifussball, trat er zurück.

Wie hat er dieses Wechseljahr erlebt? Wie blickt er zurück auf sein Karriereende, welches kein Drehbuch hätte besser schreiben können? Ein Gespräch mit dem 36-Jährigen.

Steve von Bergen

Ehemaliger Profifussballer

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Steve von Bergen ist ein ehemaliger Fussballspieler, der für die Schweizer Nationalmannschaft spielte. Als Captain bei den BSC Young Boys trat er 2019 vom Profifussball zurück. Seine Karriere begann Steve von Bergen bei Neuchâtel Xamax. Nach acht Jahren in der Super League bei Xamax und Zürich spielte er bei Hertha BSC in der Deutschen Bundesliga und in Italien bei Palermo, Genua und Cesena. Von 2013 bis 2019 spielte er für YB und holte zwei Meistertitel.

SRF News: Es war der 25. Mai 2019, als Sie zum 236. und letzten Mal für YB spielten, dabei schossen Sie ihr erstes Tor für YB und konnten den Meisterpokal in die Luft stemmen. Einen besseren Karriereschluss hätte es nicht geben können?

Steve von Bergen: Nein, das glaube ich nicht. In den letzten Wochen vor dem Spiel habe ich mir oft ausgemalt, wie es werden könnte. Aber ein Tor im letzten Spiel zu schiessen, hatte ich definitiv nicht überlegt. Das war ein unglaublicher Moment, den ich nie vergessen werde.

Ein Ende, das kein Drehbuch hätte besser schreiben können

Sie haben lange überlegt, ob Sie Ihre Karriere beenden wollen – Sie hätten bei YB weiterspielen können, oder auch zu Xamax gehen – war es die richtige Entscheidung?

Ja, ich habe sehr viel überlegt, habe meine Entscheidung teilweise viermal am Tag geändert. Nun kann ich sagen: es war die beste Entscheidung, weil ich selber sagen konnte, wann ich zurücktrete. Und es ist ein Privileg, dass ich gesund bin und mich gut fühle.

Kurz vor dem Rücktritt sagten Sie, Sie könnten nach dem Spiel kaum mehr die Treppen hinunterlaufen. Nach 19 Jahren im Profifussball, spüren Sie Folgeschäden?

(lacht) Ich habe das Glück, sechs Monate nach dem Rücktritt ohne Schmerzen aufstehen zu können. Das war zuletzt nicht so und ist sehr angenehm. Besonders das letzte Jahr war sehr intensiv. Nun habe ich das Gefühl, wieder 20 Jahre alt zu sein. Es geht es mir sogar nach dem Sport gut.

Es ist toll wieder aufstehen zu können, ohne Schmerzen zu haben.

Sie hatten nun fast ein halbes Jahr Pause, hatten Zeit für Ihre Familie. Wie war es, so lange «nichts» zu tun?

Ja es ist schön, wenn du essen kannst, was du möchtest, auch am Freitag ein oder zwei Bier trinken ohne zu überlegen, dass bald wieder ein Spiel ist. Das sind kleine, aber nach 19 Jahren auch sehr schöne Dinge. Meine Frau hat mir aber manchmal gesagt, es sei an der Zeit, dass ich joggen gehe (lacht). Nach einem halben Jahr war sie froh, dass ich wieder arbeite.

Seit ein paar Wochen arbeiten Sie wieder bei YB im Nachwuchs, sind verantwortlich für das Defensiv-Konzept in der Juniorenabteilung. Wie haben Sie diesen Wechsel erlebt?

Am ersten Tag wollte ich nach unten in die Kabine laufen. Ich musste aber einen Stock nach oben ins Büro und fragte mich: Und jetzt, was passiert? Ich musste mich erst an den Rhythmus gewöhnen und habe viel beobachtet. Langsam beginnen wir zu schauen, was wir ändern können oder möchten. Es macht Spass, mit den Jungen zu arbeiten.

Sie arbeiten mit 16- bis 21-Jährigen zusammen, die noch am Anfang ihrer Karriere stehen, andere Dinge im Kopf haben wie Schule, Ausbildung, Freundin. Denken Sie zurück, wie Sie damals waren?

Es es ist komisch. Wenn man ihren Rhythmus ansieht: sie stehen auf, gehen in die Schule, trainieren, gehen wieder in die Schule, trainieren. Ich denke wow, das habe ich auch gemacht! Aber wie habe ich das gemacht, frage ich mich (lacht).

Was ich in zwei oder fünf Jahren machen werde, weiss ich nicht. Ich lasse mich überraschen.

Und wie ist dieses Leben nach dem Profifussball?

Es ist ein neues Leben. Ich weiss im Moment nicht, in welche Richtung es gehen wird. Ich würde mich sehr freuen, mit YB den dritten Meistertitel zu holen, auch wenn die Emotionen nicht mehr gleich wären. Aber was ich in zwei oder fünf Jahren machen werde, weiss ich ehrlich gesagt nicht. Ich lasse mich überraschen.

Das Gespräch führte Marielle Gygax.

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