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Massentierhaltungs-Initiative Braucht es mehr Tierwohl? Ein Besuch im Stall

Wie lebt es sich als Mast-Sau in der Schweiz? Die «Rundschau» hat zwei Säuli durch den Stall-Alltag begleitet.

Kurz vor Sonnenaufgang in Büren an der Aare: Hier lebt Säuli Rosa. In einem Stall teilt sie sich mit 12 anderen eine Beton-Fläche von rund 14 Quadratmetern, kaum Stroh. Hier hat Rosa geschlafen. Hier verbringt sie ihren Tag. Ohne Auslauf.

Mastschweine im Stall
Legende: Konventionelle Schweinehaltung nach Schweizer Tierschutzgesetz: Gemäss Initiantinnen und Initianten haben die Tiere zu wenig Platz und der Auslauf fehlt. SRF

Rosa hat eigentlich keinen Namen, wir nennen sie so. Rosas Besitzerin Fabienne Wyder betont: «Der Stall erfüllt die Anforderungen des Schweizer Tierschutzes, das reicht. Den Schweinen geht es gut.» Züchterin Fabienne Wyder ist gegen die Massentierhaltungs-Initiative, über die am 25. September abgestimmt wird. Diese verlangt unter anderem, dass alle Nutztiere künftig mehr Platz, Einstreu und regelmässigen Auslauf ins Freie erhalten.

Bio-Bauer Fritz Sahli ist für die Initiative. Auf seinem Hof im bernischen Uettligen treffen wir ein Säuli, das wir Berta nennen. Am frühen Morgen ist sie draussen auf der Weide. 3000 Quadratmeter teilt sie sich im Freien mit 15 anderen Schweinen. Dazu kommen 50 Quadratmeter betonierter Auslauf und 80 Quadratmeter Stall.

Für Fritz Sahli ist der Auslauf wichtig: «Die Schweine brauchen frische Luft und sie müssen draussen wühlen können. Das sind wir den Tieren schuldig.» Im Stall erhält Berta täglich frisches Stroh auf dem Betonboden – zur Beschäftigung und als weiche Liegefläche. Der Aufwand lohne sich, sagt Bauer Sahli.

Gegner fürchten höheren Aufwand

Es ist unterdessen Mittag. In Büren an der Aare liegt Rosa auf dem Beton. Das schade ihr nicht, findet Bäuerin Wyder. Sie reinigt das Zimmer neben Rosa mit dem Hochdruckreiniger. Mit Einstreu sei es aufwendiger. Ein Aufwand, der sich nicht lohne, sagt Wyder. Es werde mehr Fleisch mit Tierwohl-Label produziert als konsumiert. Also setzt Wyder auf konventionelle Tierhaltung.

Falls Konsumentinnen und Konsumenten mehr Fleisch aus Bio- oder IP-Suisse-Produktion kaufen würden, werde aber auch sie umstellen. Aber: «Wenn ich jetzt umbaue und es funktioniert nicht, dann hilft mir niemand. Also müssen zuerst die Kunden die Label kaufen. Wir Bauern sind bereit.» Die Konsumentinnen und Konsumenten sollen aber frei entscheiden und auch günstiges Fleisch kaufen können.

Nutzen oder Schaden für die Landwirtschaft?

Für die Gegnerinnen und Gegner bedroht die Initiative die Schweizer Landwirtschaft. Für die Initiantinnen und Initianten führt sie hingegen zu zukunftsfähigen Bauernbetrieben. Während Bio-Säuli Berta im Stroh Siesta hält, zeigt uns Fritz Sahli seinen Demeter-Hof: Kühe, Legehennen und Nutzpflanzen, dazu Hofladen, Café und Seminarraum.

Massentierhaltung habe keine Zukunft, man brauche mehrere Standbeine, ist Sahli überzeugt: «Man ist beweglich und kann einen neuen Betriebszweig aufnehmen oder einen anderen aufgeben.» Einen grossen Teil seiner Produkte verkauft er im Hofladen. Auch mit der Initiative gäbe es günstiges Fleisch, sagt Sahli. Allerdings kosten bei ihm auch Hackfleisch und Wienerli mehr als konventionelle Produkte beim Grossverteiler. «Das Fleisch muss seinen Preis haben,» sagt Sahli. Sonst gehe es für die Bauern, die Tiere und die Umwelt nicht auf.

Es wird Abend. Unsere beiden Säuli gehen schlafen. Rosa auf Beton – legal nach Tierschutzgesetz. Berta im Stroh – wie es die Initiantinnen und Initianten möchten. Bäuerin Wyder: «Rosa geht es auch ohne Auslauf und Einstreu gut. Ich gehe anständig mit den Tieren um.» Bauer Sahli: «Es ist ein schönes Gefühl zu sehen, wie Berta am Tag draussen rumrennt.»

Abstimmungsspecial

SRF Rundschau, 24.08.2022, 20:05 Uhr

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