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Neues Integrationskonzept Im Kanton Bern fühlen sich die Flüchtlinge allein gelassen

  • Seit Juli sind neue Organisationen für die Flüchtlinge im Kanton Bern zuständig. Der Kanton hat die Betreuung neu organisiert.
  • Bei der Dossierübergabe kam es zu Problemen.
  • Die Leidtragenden dieser Situation sind die Flüchtlinge. Gegenüber Radio SRF zeigen zwei Betroffene ihre Probleme auf.

Der Kanton Bern möchte, dass sich Flüchtlinge schneller integrieren. Sie sollen schneller Deutsch oder Französisch sprechen können, rascher arbeiten dürfen und nicht mehr von der Sozialhilfe leben. All dies soll die neue Flüchtlingsbetreuung ab dem 1. Juli garantieren.

Die Neuorganisation im Asylbereich

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Ab dem 1. Juli gilt im Kanton Bern ein neues Integrationskonzept. Fünf Organisationen betreuen das Flüchtlingswesen im Kanton Bern; je eine pro Region. Vorher waren es deutlich mehr.

Sie sollen Unterkünfte leiten, Sozialhilfe leisten, Bildung und Jobs organisieren. So will es das neue Konzept im Kanton Bern.

Erfüllen die neuen Organisationen die Anforderungen des Kantons Bern, dass Flüchtlinge schneller integriert werden, gibt es eine Erfolgspauschale für die Organisation. Scheitern die Flüchtlinge, wird ihnen die Sozialhilfe gekürzt. So spart der Kanton Bern insgesamt rund 7 Millionen Franken pro Jahr.

Mit dieser Reorganisation betreten alle Neuland. Gut zwei Monate nach dem Start läuft noch nicht alles rund.

Wo es harzt

Die Organisationen ORS und das Schweizerische Rote Kreuz SRK haben, wie auch zwei weitere regionale Betreuungsorganisationen, am 1. Juli alle Dossiers von einer Plattform heruntergeladen. Danach hätten sie alle Flüchtlinge so schnell wie möglich persönlich zu einem Gespräch einladen sollen – um herauszufinden, was die Flüchtlinge für eine schnelle Integration für Hilfestellungen benötigen. Doch genau hier beginnen die Schwierigkeiten.

Quellentransparenz

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Radio SRF liegen Aussagen von mehreren freiwilligen Helferinnen und Helfern, Flüchtlingen, und Mitarbeitenden des SRK vor, die belegen, dass es nach wie vor Probleme gibt. Die Personen wollen anonym bleiben. Sie befürchten negative Konsequenzen.

Betroffen ist beispielsweise B. (Name der Redaktion bekannt) aus Afghanistan. Er macht eine Lehre, braucht aber fürs Homeschooling wegen Corona einen besseren Laptop. Seinen Betreuer hat er noch nicht getroffen. Er kann ihn anrufen oder ihm eine Mail schreiben, doch auf eine Antwort muss er jeweils mehrere Tage warten. Zudem wäre es für ihn einfacher im persönlichen Gespräch seine Probleme zu schildern.

Ich möchte, dass die Schweiz von mir profitiert.
Autor: B. Flüchtling aus Afghanistan

Den Laptop kann er sich nicht selbst leisten, sagt B. Er will der Schweiz etwas zurückgeben können. Dafür müsse er aber seinen Beruf richtig lernen können. Er wolle seine Motivation nicht verlieren.

Bis November sollen alle ein Gespräch erhalten

Alle 3400 Flüchtlinge, für die das SRK zuständig ist, hätten bereits einen Brief erhalten, so Martina Blaser. Sie leitet den Migrationsbereich des Schweizerischen Roten Kreuzes. Eine Betreuungslücke gäbe es nicht: «Klar sind Klientinnen und Klienten verunsichert. Fakt ist aber, wir sind per Telefon, per Mail und zum Teil auch per Empfang erreichbar.» Auch ein persönlicher Austausch sei, wenn nötig, natürlich jederzeit möglich. Spätestens bis November will das SRK alle ihre Klienten persönlich getroffen haben.

Portemonnaie.
Legende: Wenn das eigene Budget äusserst knapp ist, sorgen anstehende Investitionen für Schwierigkeiten. Keystone

Dass die Übergabe nicht einfach wird, das war bereits von Anfang an klar: Mindestens eine Organisation, die ihren Betreuungsauftrag verloren hat, hat auf Schwierigkeiten aufmerksam gemacht. Sie hatte unter anderem darauf hingewiesen, dass keine Übergabegespräche zwischen alten und neuen Betreuungsorganisationen stattfanden.

Der Wechsel scheint auch aktuell Spuren zu hinterlassen: Laut Mitarbeitenden sind sechs Personen des SRK aktuell wegen Stress krankgeschrieben, im letzten Jahr hätten rund 20 Mitarbeitende gekündigt. Martina Blaser sagt dazu, dass bei der SRK 120 Angestellte im Migrationsbereich arbeiteten.

Kein Einzelfall

Vorwürfe gibt es auch an die Adresse von ORS. Ein Flüchtling erzählt Radio SRF anonym, dass er im Juli keine Sozialhilfe erhalten habe. Lutz Hahn von ORS sagt dazu: «Wir haben fehlerhafte Dossiers übernommen.» Man habe sofort gehandelt und dem Mann geholfen.

Der Kanton Bern nimmt ebenfalls Stellung. Inge Hubacher sagt: «Bisher bin ich sehr zufrieden mit der Umsetzung durch die Organisationen.» Es sei Viele neu für alle. Es sei bereits zu Beginn klar gewesen, dass nicht alle Flüchtlinge an Tag 1 des neuen Systems persönlich getroffen werden könnten. Da brauche es Geduld.

Regionaljournal Bern Freiburg Wallis, 17:30 Uhr

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