1970 gab es im Ständerat noch keinen einzigen Berufspolitiker, heute sind 55 Prozent der Ständeräte Vollzeitpolitiker. Auch im Nationalrat geben heute ein Drittel der gewählten Politikerinnen und Politiker an, das Amt als Beruf auszuüben.
So weit ist es in den kantonalen und kommunalen Parlamenten (noch) nicht. Aber ein Trend zeigt sich auch hier deutlich: Immer weniger wollen ein Amt als Politiker ausüben. Und wer gewählt ist, bleibt oft nicht lange im Amt. Nur ein Beispiel: Im St.Galler Stadtparlament sind in den ersten zwei Jahren der Amtszeit 2013/16 bereits 19 der 63 Parlamentarier zurückgetreten. Ein Sitz der BDP ist sogar vakant.
Die Denkfabrik Avenir Suisse hat das Thema Milizpolitik aufgegriffen und fragt in einem Buch, ob das Freiwilligenprinzip noch Zukunft hat. Angeregt wird unter anderem die Schaffung eines «Bürgerdienstes». Der «Bürgerdienst» wäre ein «aktives Bekenntnis zur Milizkultur und könnte sich auf Dauer als der liberalere und eigenbestimmtere Weg erweisen als das Festhalten am Status quo», so Avenir Suisse-Vizedirektor Andreas Müller. «Bei einer fortschreitenden Erosion der Milizkultur würden dem Staat nämlich immer mehr Aufgaben zufallen, die unpassend besetzte und überforderte Milizbehörden nicht mehr bewältigen können.»
Eine ähnliche Idee ist der Amtszwang, also die Verpflichtung ein Amt anzunehmen, wenn man gewählt wird. Appenzell Ausserrhoden hat einen solchen Amtszwang 1996 abgeschafft, St.Gallen 2003. Ebenfalls keinen Amtszwang kennen die Kantone Thurgau und Glarus.
Noch nie zur Diskussion stand die Abschaffung des Amtszwanges im Kanton Appenzell Innerrhoden. Landammann Daniel Fässler: «Effektiv zur Anwenung kommt der Amtszwang praktisch nie. Aber er ist ein Sinnbild für etwas, das unsere Gesellschaft prägt, nämlich dass jeder Verantwortung übernehmen soll für die Gemeinschaft.» Doch auch in Innerrhoden wurde die «Dienstverpflichtung» angepasst; 1994 wurde sie gelockert.