Am Montag wurde bekannt, dass die US-Arzneimittelbehörde FDA ein Medikament gegen die Alzheimer-Krankheit zugelassen hat. Aducanumab heisst der Wirkstoff, der vom Spin-Off-Unternehmen Neurimmune der Universität Zürich entwickelt wurde. Der US-Biotechnologiekonzern Biogen hat die Lizenz erworben und wird das Medikament produzieren.
Zulassung trotz vieler offener Fragen
Die erste Zulassung eines Alzheimer-Medikaments seit 19 Jahren ist hochumstritten: Die Studiendaten seien zweifelhaft, die Wirkung wenig überzeugend, der Preis für das Medikament viel zu hoch, kritisieren Forscher.
Francis Collins ist Direktor der amerikanischen Forschungsbehörde NIH. Diese hat mit der Zulassung von Aducanumab nichts zu tun, aber sie fördert die Forschung von Alzheimer mit über drei Milliarden Dollar.
Dramatischer Forschungsverlauf
Es sei ein grosser Unterschied, ob man mit einer Studie komplett scheitere, oder ob man am Ende doch Daten generieren könne, welche die Arzneimittelbehörden überzeugten, sagte Collins am World Economic Forum Davos 2020. Das Medikament helfe Betroffenen.
Das Medikament hilft den Betroffenen.
Die Zulassung von Aducanumab war abenteuerlich: 2019 brach das US-Unternehmen die Zulassungsstudien ab – das Medikament sei wirkungslos. Sechs Monate später die Kehrtwende: Sie hätten neue Daten ausgewertet, Aducanumab wirke doch. Darauf gab die FDA dem Unternehmen grünes Licht, die klinischen Studien für Aducanumab wiederaufzunehmen.
Fast 47 Millionen Menschen weltweit betroffen
Für Francis Collins war das ein Meilenstein. Er habe als NIH-Direktor so viel investiert, um den Alzheimer-Betroffenen und ihren Familien etwas anzubieten, das helfe. Einschliesslich jenen Menschen, die noch gar nicht wüssten, dass sie betroffen seien. Man könne nun beginnen, Menschen mit hohem Risiko lange vor ersten Symptomen zu identifizieren.
Alzheimer ist vor allem für westliche Länder ein enormes Gesundheitsproblem. Fast 47 Millionen Menschen weltweit sind betroffen, schätzt Alheimer's Disease International. Jährlich kommen 7.7 Millionen Neuerkrankungen dazu. Deshalb sei es wunderbar, dass man nun etwas habe, so Collins.
Aducanumab als Anfang – ähnlich wie bei Aids
Aducanumab zielt auf die zerstörerischen Amyloid-Proteine, die sich im Hirn von Alzheimer-Patienten ansammeln. Doch die Forschung müsse sich öffnen und nach weiteren Triggern suchen, so der NIH-Direktor. Beta-Amyloid spiele zwar in der frühen Phase eine Rolle, aber bei weitem nicht die einzige.
Mit Blick auf all die Betroffenen wäre es völlig inakzeztabel, weitere zehn Jahre zu warten.
Vielleicht sei die Situation heute ähnlich wie bei HIV und Aids in den 1990er-Jahren, merkt Collins an: Das erste Medikament brachte die Wende. Aber es war letztlich nicht die ausschliessliche Therapie, die HIV-Infizierte heute recht gut leben lässt.
Für Collins ist klar: Aducanumab ist bei Alzheimer nur der Anfang. Doch weitere zehn Jahre warten, bis man das Gehirn besser versteht, sei angesichts der vielen Alzheimer-Betroffenen nicht akzeptabel.