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Coronavirus Social Distancing: Was macht der fehlende Körperkontakt mit uns?

Weniger Berührungen können mehr Stress bedeuten. Doch es gebe coronakonforme Alternativen, sagt Forscherin Beate Ditzen.

Wenn wir jemanden berühren, schütten wir das Hormon Oxytocin aus. Seit fast einem Jahr wird uns aber gesagt, wir sollen «Social Distancing» betreiben – also körperlich auf Distanz zu anderen gehen – um die Ausbreitung des Coronavirus einzudämmen. Was das mit unserer Gesundheit macht, untersucht derzeit Beate Ditzen, Professorin für medizinische Psychologie an der Universität Heidelberg.

Sie hat mit ihrem Team in der ersten Coronawelle im vergangenen Frühling Personen in Deutschland nach ihrem Befinden befragt. Menschen, bei denen Berührung und sozialer Austausch im Alltag einen wichtigen Platz einnehmen, hätten unter dem ersten Lockdown besonders stark gelitten, so Ditzen. Zusätzlich zu den Befragungen nehmen Ditzen und Co. bei den Teilnehmenden – Paaren und Singles – mittels Speichelproben das Oxytocin-Level im Alltag unter die Lupe.

Weniger Berührung – mehr Stress

Der positive Effekt von Berührung wirkt sich jedoch auch auf andere Hormone aus: Er zeigt sich etwa in verminderten subjektiven und auch körperlichen Stresswerten. «In der Corona-Pandemie muss man aber davon ausgehen, dass wir deutlich Stress-belasteter sind. Und das nicht nur durch die Bedrohung durch das Virus, sondern auch durch den Mangel an Stress-Puffer-Faktoren, was soziale Einbindung und Berührung sind», erklärt Ditzen.

Im kommenden Frühling soll eine zweite Messung stattfinden. Die Forscherin geht in ihrer Zwischenbilanz davon aus, dass wir seit der Corona-Pandemie konstant leicht erhöhte körperliche Stresslevel aufweisen. «Subjektiv berichten ja auch die meisten Leute, dass sie sehr viel belasteter sind, obwohl sie es nicht an eine konkrete Belastung oder eine akute Gefahr koppeln können.»

zwei Menschen kurz vor einer Umarmung
Legende: Nähe trotz Corona: In einem italienischen Spital in der Nähe von Rom umarmen sich ein an Covid-19 erkrankter Patient und seine Frau, geschützt durch eine Plastikfolie. Keystone

Wenn wir chronisch unterberührt sind, hat das aber auch gesamtgesellschaftliche Auswirkungen, glaubt Ditzen. «Ich denke, dass wir spaltende Effekte finden werden.» Sie nimmt an, dass Personen – etwa in Paarbeziehungen –, die weiterhin Berührungen haben, durch die Corona-Massnahmen wenig eingeschränkt sind. Bei Singles hingegen, die den sozialen Austausch ausserhalb der eigenen vier Wände pflegten, vermutet Ditzen einen negativen Effekt, weil die Berührungen per Anordnung beschränkt seien.

Alternativen zu Berührungen

Ein-Personen-Haushalte machen rund ein Drittel der Schweizer Wohnverhältnisse aus. Die gute Nachricht von Ditzen für Singles, die alleine leben: «Wir können alternative Verhaltensweisen aktivieren und dieselben Effekte wie eine Berührung auslösen, wenn auch vielleicht nicht ganz so intensiv und so unmittelbar.» So rät sie, so komisch es klingen mag: Sich selbst umarmen oder daran denken, wie es wäre, eine andere Person zu berühren.

Eine andere Möglichkeit ist, sich via Videochat auszutauschen. «Dieser indirekte, zwischenmenschliche Kontakt aktiviert sehr ähnliche Muster wie die körperliche Berührung», so Ditzen. «Wir können an Berührung denken, von Berührung sprechen. Wir können auch durch Texte, durch Telefonate jemand anderen hören und sehen.» Dies löse ähnliche emotionale Mechanismen aus wie eine körperliche Berührung.

SRF 4 News, 15.2.2021, 17:15 Uhr ; 

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