Egal, ob man ein gutes Restaurant, eine vertrauenswürdige Apotheke oder ein Top-Kleidergeschäft sucht: Jede Dienstleistung wird im Netz bewertet. Eine grosse Studie aus verschiedenen europäischen Ländern zeigt, dass die meisten Konsumentinnen und Konsumenten vor einem Kaufentscheid Online-Bewertungen lesen. Doch ist dieses Vertrauen in solche Reviews berechtigt?
Wir fanden Tausende von Profilen, die sehr verdächtig sind.
In einer gross angelegten Recherche prüfte das SRF-Data-Team rund eine halbe Million Google-Maps-Bewertungen. Mit dabei war Datenspezialist Lukas Frischknecht. Sein Fazit ist ernüchternd: «Wir fanden Tausende von Profilen, die sehr verdächtig sind. Ein Grossteil dürfte auf Unternehmen zurückgehen, die solche Fake-Accounts anbieten und positive Bewertungen verkaufen.»
Ein Beispiel: Coiffeur Valentino & Hair to Go in Rapperswil (SG). Auf Google-Maps glänzt der Salon mit 4.9 von möglichen 5 Sternen. Zu den «äusserst» zufriedenen Kunden gehören Susanne B. und Stella F.. Recherchen zeigen: Ihre Profilfotos sind nicht echt, sie stammen von Fotoagenturen. Ebenfalls verdächtig: Stella F. und Susanne B. bewerten zu einem grossen Teil dieselben Firmen an verschiedenen Orten der Schweiz. Die Datenanalyse zeigt, sie sind nicht die einzigen. Hundert Personen bewerten innerhalb einer bestimmten Zeit dieselben Firmen schweizweit.
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England: Untersuchung gegen Google und Amazon
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In England läuft eine Untersuchung gegen Google und Amazon bezüglich Fake-Bewertungen. «Kassensturz» hat dazu die britische Aufsichts-Behörde Consumer and Market Authority (CMA) interviewt:
SRF «Kassensturz»: Welches Ziel verfolgen Sie mit Ihrer Untersuchung?
CMA:
Aktuell sammeln wir Informationen, um festzustellen, ob Amazon und Google möglicherweise gegen das Verbraucherrecht verstossen haben. Dies, indem sie unzureichende Massnahmen zum Schutz der Käufer vor gefälschten Bewertungen ergriffen haben. Mehr über unsere aktuelle Untersuchung erfahren Sie hier: CMA ermittelt gegen Amazon und Google wegen gefälschter Bewertungen – GOV.UK (www.gov.uk).
Wie lautet Ihre Kritik an Google und Amazon?
Wir möchten betonen, dass wir zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht zu dem Schluss gekommen sind, dass Amazon und Google gegen das Gesetz verstossen haben. Aber unsere bisherige Arbeit hat Bedenken aufgeworfen, zum Beispiel, ob Amazon und Google genug getan haben, um gefälschte Bewertungen zu erkennen und sie von ihren Plattformen zu entfernen. Es stellt sich auch die Frage, ob die Massnahmen, die diese Plattformen ergriffen haben, ausreichen, um zu verhindern, dass Käufer in die Irre geführt werden.
Inwiefern schaden gefälschte Bewertungen?
Wenn man etwas kauft, ist es oft wahrscheinlich, dass man die Produkte oder Dienstleistungen mit den besten Bewertungen sieht – und deshalb auch kauft. Laut einer im September 2018 von «Which?» durchgeführten Umfrage unter mehr als 2000 Erwachsenen verlassen sich 97 Prozent der Käufer auf Online-Kundenrezensionen. Wenn diese Bewertungen gefälscht oder irreführend sind, könnten die Konsumentinnen und Konsumenten am Ende die falsche Wahl treffen und ein minderwertiges Produkt kaufen. Das schadet auch den Unternehmen, die sich an die Regeln halten.
Welche Sanktionen könnte die CMA verhängen?
Wenn wir feststellen, dass eine Plattform wahrscheinlich gegen das Verbraucherrecht verstösst, weil sie keine ausreichenden Massnahmen ergreift, können wir ein zivilrechtliches Verfahren einleiten. Dazu gehört, dass das Unternehmen zunächst aufgefordert wird, «Verpflichtungen» oder Zusagen zu unterzeichnen, um sein Verhalten zu ändern. Weigert sich das Unternehmen, diese Verpflichtungen einzugehen, oder verstösst es gegen die Verpflichtungen, können wir eine gerichtliche Anordnung beantragen. Dann ist es Sache des Gerichts zu entscheiden, ob ein Gesetzesverstoss vorliegt und welche Massnahmen zu ergreifen sind.
«Kassensturz» konfrontiert Mondo-Valentino – den Hauptsitz der Coiffeurkette – mit der Recherche. Die Antwort: Der Verantwortliche der Filiale Rapperswil habe selbstständig und von sich aus diese Bewertungen gekauft. Und weiter: «Wir distanzieren uns komplett von einer solchen Handlung und würden dieser nie zustimmen.»
Bei unserer ersten Filiale erhielten wir in den ersten Wochen viele negative Bewertungen, von denen wir ganz sicher waren, dass sie nicht echt sein können. Darauf mussten wir reagieren.
50 Top-Bewertungen für 400 Franken
Ein weiteres Beispiel liefert die Handy-Reparaturfirma TecMarkt mit Filialen in der ganzen Deutschschweiz. Hier findet SRF-Data auf Google-Maps die meisten Fake-Reviews, nämlich über 90. Auch hier vergeben Susanne B. und Stella F. 5 Sterne. TecMarkt-Geschäftsführer Gary Fountain sagt dazu im «Kassensturz»: «Bei unserer ersten Filiale erhielten wir in den ersten Wochen viele negative Bewertungen, von denen wir ganz sicher waren, dass sie nicht echt sein können. Darauf mussten wir reagieren.» Deshalb habe er positive Fake-Bewertungen gekauft, um die schlechten Fake-Bewertungen auszugleichen.
Und wo kauft man positive Bewertungen? Die Spur führt die Datenspezialisten zur Marketingagentur Offpage SEO in Luzern. Auf ihrer Webseite bietet die Agentur unverfroren Fünf-Sterne-Bewertungen gegen Geld an. 50 Top-Bewertungen inklusive lobendem Text gibt es für 400 Franken. Offpage ist für «Kassensturz» nicht erreichbar. Ein Augenschein vor Ort zeigt: Wie die gefälschten Profile ist auch die Geschäftsadresse ein Fake.
Falsche Bewertungen verstossen gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb und sind strafbar.
Falsche Bewertungen sind strafbar
Nachvollziehbar. Denn laut Florent Thouvenin, Professor für Kommunikationsrecht, sind solche Fake-Bewertungen illegal: «Sie verstossen gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb und sind strafbar.» Die Plattform Google, auf der Fake-Reviews zuhauf publiziert werden, ist fein raus: «In der Schweiz gibt es keine klaren Regelungen zur Haftung von Plattformen», so Florent Thouvenin.
Wir überprüfen Beiträge genauestens und rund um die Uhr auf betrügerische Bewertungen.
Google will vor der Kamera nichts sagen und schreibt «Kassensturz»: «Wir überprüfen Beiträge genauestens und rund um die Uhr auf betrügerische Bewertungen, dies basierend auf unseren Richtlinien. Dafür setzen wir auf eine Kombination aus Mensch und Technologie.» Offensichtlich genügt das aber nicht.
Welche Artikel sind kommentierbar?
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Neu sind bei SRF News nur noch ausgewählte Artikel zum Kommentieren freigegeben. Die Auswahl der Tagesthemen erfolgt anhand eines Kriterienkatalogs und wird von der Redaktion und vom Community Desk geplant. Die Auswahl erfolgt u.a. aufgrund von quantitativen und qualitativen Erfahrungswerten, wobei auch Fragen wie «Welche Themen wurden in der Vergangenheit kontrovers diskutiert?» oder «Bei welchen Themen entsteht eine lesenswerte Debatte?» eine wichtige Rolle spielen. Wie bis anhin wird die Kommentarspalte auch heute bei Meldungen über Unfälle, Katastrophen, Todesfälle, Terrorismus und sexuelle Übergriffe geschlossen bleiben. Dasselbe gilt für Meldungen, die auf das Privatleben einer Person abzielen. Artikel wie der Corona-Liveticker sind nicht mehr kommentierbar, da er zu viele Aspekte abhandelt und so eine fokussierte Diskussion erschwert. Heikle Themen werden wie bisher nicht gescheut, es geht vielmehr darum, die Diskussionen in Zukunft noch besser und gezielter zu begleiten. Dies immer mit dem Ziel vor Augen, die Qualität der Diskussionen zu steigern.
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