Wer heute Morgen sein Gesicht ob der steifen Bise im Mantelkragen vergraben hat, dem sei gesagt: Zumindest die Australier würden derzeit gerne mit uns tauschen. In «Down Under» ist extreme Hitze während der Sommermonate zwar nichts Ungewöhnliches.
Nun aber purzeln die Rekorde. Und das andauernd, wie SRF-Korrespondent Urs Wälterlin berichtet: «In Port Augusta in Südaustralien war es letzte Woche 49,5 Grad heiss – ein absoluter Weltrekord für eine Küstenstadt.» In Melbourne wurden 42,3 Grad gemessen.
Unter der sengenden Hitze in der Metropole litten nicht nur die Tennisprofis an den Australian Open. Wegen der Hitze kollabierte auch ein Teil des Stromnetzes, inklusive 100 Verkehrsampeln. Ein Chaos auf Melbournes Strassen war die Folge. Im Bundesstaat New South Wales begann mancherorts sogar der Asphalt auf der Autobahn zu schmelzen.
Die extremen Bedingungen setzen auch der Tierwelt zu. Gestresste Fledermäuse griffen Menschen an. Südlich von Sydney wurden kürzlich über eine Million tote Fische gefunden. Im Westen Landes wurden mehr als 2500 wildlebende Kamele erschossen, die Zäune zu privatem Grasland durchbrochen hatten, um an Wasser zu gelangen.
An einigen Orten im Südosten des Landes habe sich die Situation inzwischen etwas beruhigt, berichtet Wälterlin. Das gelte auch für Tasmanien, wo sich zwischenzeitlich eine über 1000 Kilometer lange Feuerfront aufgebaut hat. «Im besonders isolierten Südwesten der Insel sind einige der urtümlichsten Ökosysteme der Welt bedroht. Landschaften, die im Gegensatz zu vielen anderen Regionen Australiens, Feuer nicht tolerieren.»
Erinnerungen an den «Schwarzen Samstag»
Trotz der kurzfristigen Entspannung sagt Wälterlin: «Die Krise hält an.» Denn Buschbrände breiten sich auch auf dem Festland aus. Sie werden geschürt von extremer Hitze und Trockenheit, starken Winden und herumliegendem Brennstoff wie Blättern und Baumrinden: «Diese Kombination kann dazu führen, dass sich ein ganzes Gebiet innerhalb weniger Stunden in ein Inferno verwandelt.»
Kommen die Zutaten für ein Feuerinferno zusammen, lässt sich dieses kaum mehr stoppen. Vor zehn Jahren brannte es im Hinterland von Melbourne an 400 Orten gleichzeitig. «180 Menschen starben an diesem ‹Schwarzen Samstag› – wer sich nicht rechtzeitig retten konnte, war verloren», erinnert sich der SRF-Korrespondent.
Wälterlin war damals selbst in der Krisenregion: «Ganze Landstriche waren zerstört. Ich sah ausgebrannte Autos, in denen ganze Familien bei lebendigem Leib verbrannt waren. All das werde ich nie mehr vergessen.»
Der «Faktor Mensch»
Den Launen einer unberechenbaren Natur ist man in «Down Under» nicht ausgesetzt. Denn für Wissenschaftler ist klar: Die extreme Hitze und Trockenheit in Australien sind direkte Folgen der menschgemachten globalen Erwärmung. Diese sei primär Resultat der Verbrennung fossiler Brennstoffe und intensiver Landwirtschaft, fasst Wälterlin die Forschungsmeinung zusammen.
«Die konservative Regierung in Canberra will davon aber nichts wissen», sagt Wälterlin. Der Premierminister Scott Morrison etwa verkündete, Buschbrände und Hitzewellen gehörten einfach zu Australien. Die Kohle, wie von Wissenschaftlern gefordert, im Boden zu lassen, kommt für die Politik nicht infrage: «Denn Kohle ist eines der wichtigsten Exportprodukte Australien. Und das Land hat noch Reserven für Hunderte Jahre.»