In der Schweiz sind konservative Werte in, beispielsweise bei der Jugend. Die Jugendbefragung von letztem Herbst zeigt: Die Jugend will zwar die Welt verändern, stellt Ansprüche – Stichwort Klimajugend – sie ist aber auch wertkonservativ, was das Familienbild angeht. Eine Entwicklung mit Folgen für die Frauen, sagt die Publizistin und Philosophin Lisz Hirn aus Österreich. Die konservative Wende sei gefährlich. Zudem gebe es auch auf linker Seite konservative Ideen zu beobachten.
SRF News: Warum ist ein konservatives Weltbild gefährlich für die Frauen?
Zum einen, weil die konservative Rolle der Frauen zu Hause und hinter dem Mann angelegt ist. Sobald Frauen vom Arbeitsmarkt zurückgedrängt werden oder ihre Rechte im Sinne von Schwangerschaftsabbruch, Verhütung oder Familiengründung bedroht sehen, bedeutet das, dass sie sich stärker in Abhängigkeit zu ihren Männern begeben.
Wichtig ist auch zu erwähnen, dass wir die Männer nicht vergessen sollten, die die Emanzipation unterstützt haben.
Für die jungen Frauen hat das weniger Auswirkungen, aber spätestens wenn sich Frauen mit 50+ trennen wollen, kommt diese Tatsache zum Vorschein.
Werden die Frauen vom Arbeitsmarkt zurückgedrängt? Schreit der Arbeitsmarkt nicht förmlich nach gut ausgebildeten Frauen, die arbeiten sollen?
Prinzipiell kann man anhand von Zahlen feststellen, dass Frauen in vielen Bereichen wesentlich besser ausgebildet sind als Männer. Allerdings sieht man auch, dass sich in den Führungspositionen in den letzten Jahrzehnten sehr wenig bewegt hat.
Sie sprechen von einer konservativen Wende, welche auch bei den Jugendlichen sichtbar sei. Aktuell haben wir jedoch die Klimajugend, die sich selber wohl kaum als konservativ versteht. Wie passt das zusammen?
Es gibt rechtskonservativ und linkskonservativ. Es gibt auch auf linker Seite konservative Kräfte, die Frauen sehr stark naturalisieren wollen und versuchen, den Kern des Frau-Seins zu definieren. Irgendwann landet man automatisch bei der Fruchtbarkeit der Frauen.
Auch bei linkskonservativen Kräften gibt es starke Tendenzen zurück zur «guten Mutter Natur», zudem sind eine gewisse Angst vor chemischen Verhütungsmitteln und eine gewisse Skepsis vor Alternativen Lebensmodellen wie dem Familienmodell vorhanden.
Also hat ein «Zurück zur Natur» auch negative Folgen für die Frauen?
Das kann negative Folgen für die Frauen haben, vor allem wenn die Natur romantisiert wird. Die Natur an sich ist weder gut noch böse. Ich warne ganz stark davor, diese Naturromantik hineinzubringen. Frauen, die emanzipiert leben wollen, das Recht auf Schwangerschaftsabbruch und das Recht auf Verhütung und Kontrolle ihrer eigenen Fortpflanzung haben wollen, würden sonst in die linkskonservativen und rechtskonservativen Tretmühlen geraten.
Also ist das «Mutter-werden» das Pièce de résistance: Kriegen Frauen Kinder, schwächen sie sich. Kriegen sie keine, schwächen sie sich ebenfalls. Was wäre denn zu tun?
Die Situation ist im Moment sehr verfahren. Egal wie man es macht, man macht es als Frau falsch. Man sollte versuchen, möglichst frei darüber zu entscheiden, was man will. Ich würde keiner Frau sagen, dass sie kein Kind kriegen soll und ich würde auch keine Frau dazu auffordern, eines zu kriegen. Frauen sollten untereinander solidarisch sein. Wichtig ist auch zu erwähnen, dass wir die Männer nicht vergessen sollten, die die Emanzipation unterstützt haben. Denn ohne diese geht es nicht. Die feministischen Diskurse, die teilweise Männer ausschliessen, halte ich für sehr bedenklich.
Das Gespräch führte Simone Hulliger.