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Neue Unwetter-Opfer in Italien Taucher bergen neun Tote aus Landhaus

  • Die schweren Unwetter in Italien fordern weitere Todesopfer. In der Nacht sind neun Leichen aus einem gefluteten Landhaus auf Sizilien geborgen worden.
  • Damit ist die Zahl der Todesopfer durch die Unwetter in Italien auf über zwei Dutzend angestiegen.
  • Betroffen sind neben Sizilien vor allem die nordöstlichen Regionen Friaul, Venetien und Trentino-Südtirol.
  • Zudem sollen etwa 14 Millionen Bäume zu Schaden gekommen sein.

Taucher haben in der Nacht bei einem «dramatischen Einsatz» neun Tote aus einem gefluteten Landhaus auf Sizilien geborgen. Dies teilt die Feuerwehr auf Twitter mit.

Das Unglück geschah in Casteldaccia, unweit von Palermo. Dort war der Pegel eines Flusses wegen der heftigen Regenfälle in der Region rapide angestiegen.

Bei den Toten handele es sich um Angehörige zweier Familien, unter ihnen auch ein ein- und ein dreijähriges Kind. Überlebende erzählten, zuerst hätten die Hunde gebellt, dann sei eine Lawine aus Wasser und Schlamm auf sie zugerollt.

Der Bürgermeister von Casteldaccia, Giovanni Di Giacinto, sagte: «Eine entsetzliche Tragödie hat uns getroffen.» Der Fluss habe vorher nie eine Gefahr dargestellt. Premierminister Giuseppe Conte hat das Katastrophengebiet besucht und Hilfe versprochen.

Die Nachrichtenagentur Ansa berichtet von einem weiteren Toten, der im sizilianischen Vicari gefunden worden sei. Damit ist die Zahl der Unwetter-Opfer in Italien auf 27 angestiegen.

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Legende: Vor allem Sizilien und die Region Venetien sind von den Unwettern betroffen. SRF

14 Millionen Bäume geknickt

Das ganze Land leide, sagte der Chef des Zivilschutzes, Angelo Borrelli, im norditalienischen Belluno. Die Situation in dieser Provinz sei besonders schlimm. Es seien «apokalyptische» Szenen, so Borrelli. Strassen seien zerstört, Leitungsmasten hätten wie dünnes Gezweig nachgegeben. Es seien Windgeschwindigkeiten von bis zu 180 Stundenkilometern gemessen worden.

Der Sturm riss Schneisen in die Wälder. Luftaufnahmen zeigen Bilder totaler Verwüstung: Wälder, in denen kaum mehr ein Baum steht. Oder ein Stausee, in dem überall Holz schwimmt: Alles Stämme von geknickten oder entwurzelten Bäumen, die die Fluten angespült haben.

Der Landwirtschaftsverband Coldiretti schätzt, dass allein im Friaul, in Venetien und in Trentino-Südtirol 14 Millionen Bäume umgefallen sind.

«Geigenwald» zerzaust

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Von den schweren Unwettern in Italien ist auch die Geigenproduktion betroffen. Orkanstürme und heftige Niederschläge haben einen beträchtlichen Teil des Waldes von Paneveggio in der Dolomiten-Gemeinde San Martino di Castrozza im Osten der Provinz Trient verwüstet. Hier sind Tannen zu finden, deren Holz sich besonders zum Bau von Musikinstrumenten eignet.

Der Wald von Paneveggio, der auch als «Geigenwald» bekannt ist, erstreckt sich über 2700 Hektar und gehört zum grossen Naturpark Parco Naturale Paneveggio. Der Fichtenwald ist der grösste zusammenhängende Wald der italienischen Alpen und liegt in einer Höhe zwischen 1500 und 2000 Meter. «Ein Fünftel des Waldes gibt es nicht mehr. Hunderte Hektar sind zerstört worden», klagte der Förster Paolo Kovac laut der Tageszeitung «La Repubblica».

Schon die Venezianer nutzten das Holz des Geigenwaldes für ihre Schiffsbauten. Berühmt wurde der Wald in der Renaissance, weil die dort wachsenden Haselfichten seither für den Geigenbau genutzt werden. Daher rührt auch sein Name. Im 17. Jahrhundert besuchte der berühmte Geigenbauer Antonio Stradivari aus Cremona den Fichtenwald von Paneveggio, um dort die besten Stämme zu erwerben. «Die Niederschläge haben den Boden aufgeweicht. Winde mit einer Geschwindigkeit von 200 Kilometern pro Stunde haben ganze Waldteile vernichtet», betonte Kovac.

Der Schaden sei enorm. «Um wieder wertvolles Holz zu erhalten, das für die Produktion von Instrumenten geeignet ist, werden wir zwei Jahrhunderte warten müssen. In 40 Jahren werden wir vielleicht einen jungen Wald haben», meinte Kovac.

160'000 Menschen ohne Strom

Unwetterwarnungen gelten derzeit für Sardinien und Sizilien. Aber auch in nördlichen Regionen wie Emilia-Romagna, Friaul-Julisch und Venetien ist noch keine Entspannung angesagt – die kommenden Tage wird es weiter regnen.

«Es ist wie nach einem Erdbeben», sagte der Gouverneur der Region Venetien. Teile der Dolomiten glichen einer Landschaft «wie auf dem Mond». 160'000 Menschen seien zudem ohne Strom. Die Schäden sind derzeit noch nicht abzuschätzen.

Der italienische Zivilschutz spricht von einer der komplexesten Wetterlagen der vergangenen 60 Jahre.

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