Ende Woche beginnen die 22. Olympischen Winterspiele in Sotschi. Schon seit langem bereiten sich die Sportler auf den grossen Wettbewerb vor. Aber nicht nur sie: Im Hintergrund arbeiten Wissenschaftler intensiv daran, den Schweizer Athleten einen kleinen – vielleicht entscheidenden – Vorteil zu verschaffen. Denn: Die Schneeverhältnisse in Sotschi sind anders als bei uns in den Alpen.
Es ist nicht gerade das typische Bild vom russischen Winter: Die Riviera am Schwarzen Meer in Sotschi ist mit Palmen gesäumt, die Menschen geniessen winterliche Sonnentage in T-Shirts. Sotschi liegt weit im russischen Süden, etwa auf der gleichen geografischen Breite wie Nizza. In den Bergen hinter Sotschi, dort wo die Ski- und Langlaufdisziplinen stattfinden, ist die Sonneneinstrahlung deshalb deutlich höher als in den Schweizer Alpen.
Aber nicht nur das ist anders als bei uns, wie Fabian Wolfsperger vom Institut für Schnee- und Lawinenforschung in Davos erklärt: «Das Wetter kommt von Süden und Südwesten. Es zieht über das Schwarze Meer herein und staut sich dann am Kaukasus. Dadurch entstehen grosse Schneemengen.» Neun Meter Schnee sind keine Seltenheit.
Schneetemperatur ist wichtigster Parameter
Die grösste Herausforderung sieht Wolfsperger aber anderswo: « Die Schneetemperatur ist der wichtigste Parameter. Sie beeinflusst sowohl die Mechanik des Schnees als auch das Gleiten auf dem Schnee stark.»
Seit über drei Jahren arbeiten Wissenschaftler am Projekt «Sotschi Snow». Vor Ort sammelt das Forschungsteam Daten über den Schnee. Ziel sei es, den Serviceleuten täglich eine Prognose zur Verfügung zu stellen, die ihnen am Vorabend Auskunft über die Schneetemperatur des nächsten Tages gibt, sagt Wolfsperger.
Möglich ist das nur, weil am Schnee- und Lawinenforschungsinstitut in Davos bereits sehr viel Arbeit in die Berechnung von Schneedecken am Computer investiert wurde. Diese Computerprogramme wurden entwickelt, um die Lawinengefahr besser vorhersagen zu können. Sie werden jetzt quasi zweckentfremdet für die Olympischen Spiele.
«Wir sind in einer sehr guten Situation», sagt Wolfsperger. «Wir haben ein aufwändiges Computermodell, das schon existiert. Dieses können wir nun mit verhältnismässig wenig Aufwand nutzen, um den Schweizer Skifahrern zusätzliche Informationen zu liefern, damit sie vielleicht noch ein bisschen schneller werden.»
Wachsen als besondere Herausforderung
Jede Möglichkeit, ein paar Hundertstelsekunden zu gewinnen, wird gerne genutzt. Die Daten von Wolfspergers Forschungsgruppe stossen dementsprechend auf grosses Interesse.
Zum Beispiel bei Roger Wachs. Er ist der Chef des Schweizer Langlauf Service-Teams. «Die Wetterdaten sind da, damit wir wissen, welchen Wachs wir am besten einsetzten», sagt er. «Die Temperaturen und das Wetter wechseln sehr schnell. Von Sonne über Regen bis Schnee ist hier alles möglich.»
Wegen des warmen Wetters, das zu erwarten ist, wird Wachsen in Sotschi eine besondere Herausforderung. «Diese Nullgradbedingungen sind für uns sehr schwierig zum Wachsen», erklärt der Chef des Schweizer Langlauf Service-Teams. «Denn der Schnee wechselt da oft seine Eigenschaften.»
Messungen vor allem für nordische Disziplinen
Die aufwändigen Messungen vor Ort, um Schneetemperaturen vorauszusagen, sind relativ neu, wie Schneeforscher Wolfsperger erklärt. Wichtig sind die Prognosen vor allem für Disziplinen im flacheren Gelände.
Am wichtigsten seien die Messungen für die nordischen Disziplinen wie Skilanglauf und Biathlon, sagt Wolfsperger. Aber auch für alpine Disziplinen wie die Abfahrt seien sie interessant. Schliesslich können sie sogar für einen Riesenslalom von Bedeutung sein, insbesondere wenn das Rennen in flacherem Gelände stattfindet.
Die Schweiz betreibt diese Schneeforschung fast exklusiv. Ähnliche Anstrengungen unternimmt lediglich noch das französische Ski-Team.