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Satan ist auf dem Vormarsch Exorzist – ein gefragter Berufsstand

Christoph Casetti, der bekannteste Schweizer Exorzist, ist tot. Nachfrage besteht weiterhin – besonders bei Migranten.

«Der Exorzist» liess 1973 das Blut in den Adern der Kinogänger gefrieren. Und auch heute noch versteckt sich so mancher Teenie beim nächtlichen Zappen hinter dem Sofa, wenn die kleine Regan im Bett zuckt, keift und schreit. Ihr Gesicht verformt zu einer teuflischen Fratze.

Alles nur Hollywood-Fiktion? Mitnichten. Zumindest, wenn man dem kürzlich verstorbenen Exorzisten Christoph Casetti glaubt. «Das Böse gibt es», sagte er vor sechs Jahren im Gespräch mit SRF. Seine Dienste seien gefragt.

Casetti
Legende: Der ehemalige Sprecher des Bistums Chur starb am Sonntag im Alter von 76 Jahren. Casetti war seit 2012 Dompropst und damit Vorstand des Domkapitels, ausserdem diente er dem Bistum als Exorzist. SRF/Archiv

Von Schmerzen, Angstzuständen und Schlaflosigkeit geplagte Menschen wendeten sich an ihn. Und manchmal sei es notwendig, den «Grossen Exorzismus» durchzuführen – ein aus Psalmen und Gebeten bestehendes Ritual der katholischen Kirche.

«Sehet das Kreuz des Herrn, fliehet ihr feindlichen Mächte!» – mit Kruzifix und Weihwasser bewaffnet rückte Casetti zu Lebzeiten aus, um Dämonen zu vertreiben. Die Reaktionen der «Patienten respektive Dämonen» fielen heftig aus: «‹Hör auf, es brennt!› rufen sie dann. Obwohl das Wasser ja eigentlich kalt ist.»

Ein «Bedrängter» pro Woche

Was nach tiefstem Mittelalter klingt, ist Realität, erklärt Georg O. Schmid, Leiter der Informationsstelle Relinfo: «Im Schnitt einmal die Woche ruft jemand bei uns an, weil er sich von bösen Geistern belastet fühlt oder glaubt, dass es bei ihm zuhause spukt.»

Überraschend dabei: Die Anfragen häufen sich – was auch mit der Migration zu tun hat. Denn viele der Menschen, die sich von bösen Mächten belastet fühlen, stammen aus Kulturkreisen, in denen der Glaube an Geister nach wie vor stark verbreitet ist.

«Doch auch in der Pfingstbewegung gibt es die Vorstellung von Dämonen, die durch den ‹Befreiungsdienst› vertrieben werden», schildert Schmid. Schliesslich fühlten sich auch Menschen von Dämonen gepeinigt, die der Esoterik oder dem Schamanismus anhängen.

Der Glaube an böse Geister ist in meinen Augen eine falsche Erklärung.
Autor: Georg O. Schmidt Religionsexperte

Zwar seien Teufelsaustreibungen ein Randphänomen. Heute gebe es aber deutlich mehr Menschen in der Schweiz, die einen Exorzismus oder Befreiungsdienst wünschten als noch vor der Jahrtausendwende.

Erst einmal zuhören

Der Religionsexperte nimmt jede Anfrage ernst. Denn wer sich bedroht fühle, habe immer ein Problem. «Aber der Glaube an böse Geister ist in meinen Augen eine falsche Erklärung.» Im Gespräch versucht Schmid, auf irdischem Weg zur Wurzel des Problems vorzudringen.

Mit manchen Ratsuchenden könne etwa eine Psychotherapie ins Auge gefasst werden. «Wenn ich mit Menschen zu tun habe, die schon seit der Kindheit an böse Geister glauben, gelingt das aber selten.»

Exorzisten-Ausbildung im Vatikan
Legende: Priester bei der Ausbildung zum Exorzisten im Vatikan: Die Teufelsaustreibungen folgen einem strikten Prozedere, das in einem auf lateinisch verfassten Handbuch festgelegt ist. Reuters/Archiv

Dann versucht Schmidt, die Verängstigten an «seriöse» Exorzisten und Befreiungsdiener zu verweisen, bei denen niemand an Leib und Leben gefährdet sei. «Es kann gefährlich werden. Immer wieder hat es Todesfälle gegeben.»

Hunderte Gläubige suchen Hilfe

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Eine Umfrage der «Rundschau» bei allen katholischen Bistümern der Schweiz zeigte, dass 2016 Gläubige mindestens 420 Mal eine Teufelsaustreibung durch einen Exorzisten erbaten.

  • Im Bistum Lugano meldeten sich rund 200 Personen.
  • Das Bistum Freiburg, Lausanne und Genf registrierte rund 80 Anfragen.
  • Die Diözesen Basel und Chur sprachen von je 70 Fällen.
  • Das Bistum Sitten konnte keine Angaben machen.
  • Im Bistum St. Gallen und den Gebietsabteien Einsiedeln und St. Maurice war Exorzismus kein Thema.

Zum «Grossen Exorzismus» greife die katholische Kirche indes selten. Nämlich erst, wenn Mediziner keine psychopathologische Erklärung für das Leid der Betroffenen finden können. «Und es müssen Zeichen des Übernatürlichen da sein. Das Opfer muss etwa in einer Sprache sprechen, die es nie gelernt hat oder über übernatürliche Körperkräfte verfügen.» Zudem müsse das Ritual vom zuständigen Bistum genehmigt werden.

Der «kleine Exorzismus» komme dagegen häufig vor. Er sei vergleichbar mit dem Befreiungsdienst von Freikirchen: einem Gebet mit dem Betroffenen mit dem Ziel, dass der böse Geist ausfährt: «Das ist weit weniger spektakulär als das, was man in Filmen sieht.»

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