Wird im europäischen Klubfussball bald nichts mehr so sein, wie es einmal war? Gemäss Recherchen des Nachrichtenmagazins «Der Spiegel» sind die Pläne für eine europäische Superliga konkreter als bisher angenommen.
Wie aus Dokumenten des Enthüllungsportals Football Leaks hervorgeht, gibt es konkrete Pläne von Topklubs wie Real Madrid oder Bayern München, eine geschlossene Liga zu gründen.
Wie würde so eine Liga die Fussballwelt verändern? Fussballjournalist Mämä Sykora sieht in dem Projekt auch Chancen für die nationalen Ligen.
SRF News: Mämä Sykora, überraschen Sie diese Enthüllungen?
Mämä Sykora: Überhaupt nicht. Das ist eine Überlegung, die sich die grossen europäischen Klubs schon seit Jahren, wenn nicht Jahrzehnten überlegen. Sie wollen lieber unter sich spielen und haben mit diesem Druckmittel erreicht, dass die Champions League stets zu ihren Gunsten verändert wurde: Sie bekamen mehr Geld und die Planungssicherheit haben sie nun auch: Aus den grossen Ländern spielen jeweils vier Mannschaften in der Champions League. Doch dass diese Superliga jetzt plötzlich kein Thema mehr wäre, überrascht eigentlich niemanden.
Wie realistisch ist es, dass es diese Liga einmal geben wird?
Einerseits befürchte ich, dass das wirklich einmal Realität werden wird. Andererseits warte ich eigentlich auch schon länger drauf. Mit diesem Druckmittel im Hintergrund wurde alles immer zugunsten der grossen Klubs entschieden, weil man Angst hatte, sie zu verlieren. Das hat dazu geführt, dass die Grossen extrem dominant in den eigenen Ligen sind. Die Ligen haben so aber auch an Spannung verloren. Darum könnte es auch eine Erlösung sein, wenn diese grossen Klubs endlich unter sich spielen würden und die restlichen Teams aufatmen können, weil die Spannung zurück ist.
Würden dann alle anderen Klubs nicht in der Bedeutungslosigkeit versinken?
Das denke ich nicht. Blickt man beispielsweise in die schwedische Liga, sieht das ganz anders aus: Im europäischen Vergleich sind die Klubs dort sehr schlecht, doch die Zuschauerzahlen sind so hoch wie noch nie. Die Zuschauer goutieren die Spannung und stellen sie über den sportlichen Wert der Liga. Ein altes Bonmot besagt, dass die Leute zum Fussball gehen, weil sie nicht wissen, wie es ausgeht. Wenn die Gelder aber so ungerecht verteilt sind, ist dies je länger immer weniger der Fall.
Auch Fifa-Präsident Gianni Infantino ist Teil dieser Enthüllungen. Er soll in seiner Zeit als Uefa-Generalsekretär den Klubs Paris St. Germain und Manchester City zu Millionen-Investitionen durch Scheichs aus Golfstaaten verholfen haben, indem er die Regeln des Financial Fairplay ausgehebelt habe. Wie schätzen Sie diese Vorwürfe ein?
Das Financial Fairplay ist eine gute Idee. Es ist unter dem Druck entstanden, dass man da jetzt endlich etwas unternehmen müsse. Aber es ist ein zahnloses Monster geworden. Es sind Mannschaften für Vergehen bestraft worden. Das sind aber alles sehr kleine Mannschaften aus der Ukraine, Polen oder Griechenland. Diese Teams wurden ausgeschlossen.
Dass andere Teams wie Paris St. Germain, die Milliarden-Investitionen getätigt haben, die sie nie im Leben einspielen können, nach den gleichen Regeln bewertet werden, glaubt niemand. Es ist also nicht überraschend, dass hier nicht mit gleichen Ellen gemessen wird.
Die grossen Vereine testen aus, was sie den Fans zutrauen können: Es kann schon passieren, dass das Ganze irgendwann mal kippt.
Viele Fans werden diese Enthüllungen nicht überraschen. Und trotzdem werden die meisten wieder ins Stadion gehen. Ändern wird sich also wenig.
Man muss da sehr deutlich unterscheiden: Die Machenschaften, die hinter den Kulissen laufen, betreffen vor allem diese grossen Klubs. Es ist was anderes, wenn man die Schweizer Liga anschaut. Hier werden solche Sachen nicht gemacht, weil es sich nicht lohnt. Aber es besteht die Gefahr, dass Leute, die nicht so nah dran sind das vermischen und denken, der ganze Fussball ist korrupt. Aber das ist natürlich nicht der FC Thun oder GC. Langfristig schadet das dem Fussball natürlich sehr. Vor allem, wenn man diese Sachen zu vermischen beginnt.
Kann denn das ganze System mal kippen? Verliert der Fussball seine ganze Magie und die Mächtigen denken um?
Ich bin nicht so kulturkritisch, dass ich das jetzt so sehen würde. Es ist seit Jahren so, dass die grossen Vereine und Ligen sich an die Ekelgrenze herantasten. Sie testen, was sie den Fans zutrauen können: Es kann schon passieren, dass das Ganze irgendwann mal kippt. Wenn dann in England die Ticketpreise 200 Pfund kosten und nur noch asiatische Touristen im Stadion sind, weiss ich nicht, ob der Fussball beispielsweise in Liverpool immer noch die gleiche Bedeutung haben wird wie heute.
Das Gespräch führte Simone Hulliger.