Wenn das Thermometer in einem Gebäude mehr als 26,5 Grad anzeigt, gilt das Gebäude als überhitzt und die meisten Menschen fühlen sich darin nicht mehr wohl. In Zukunft werden unsere Häuser immer länger überhitzt sein: Sind es heute knapp 30 Überhitzungsstunden im Jahr, so werden es laut einer neuen Studie der Hochschule Luzern künftig bis zu 1000 Stunden sein.
Wir müssen schon von Anfang an überlegen, wie sich das Gebäude im Sommer verhält.
Die Architektur stehe deshalb vor einem Paradigmenwechsel, sagt Gianrico Settembrini, Forschungsleiter an der Hochschule. Ingenieure und Architektinnen hätten sich bis jetzt zu stark auf den Winter konzentriert. «Wir müssen aber schon von Anfang an – bei den Berechnungen – überlegen, wie sich das Gebäude im Sommer verhält.»
Glasfronten sind Problem
Vor allem grosse Fenster und Glasfronten seien problematisch. Diese seien zwar gut für die Lichtverhältnisse im Gebäude und wegen der Aussicht attraktiv für die Bewohner. Sie würden aber die Gebäude zu stark aufheizen.
Grosse Glasflächen müsse man künftig zwingend mit intelligenten Kühlsystemen kombinieren. Diese bringen die Wärme ohne grossen Energieverbrauch aus dem Gebäude. Man könne die Bodenheizung umgekehrt laufen lassen und die Wärme ins Erdreich transportieren, erklärt Settembrini. «Dort lässt sich die Wärme speichern, und im Winter kann man sie mit Wärmepumpen wieder für die Heizung nutzen.»
«Geo-Cooling» senkt Temperatur
Diese Art der Kühlung, das sogenannte Geo-Cooling, wird an einigen Orten bereits getestet. So sind etwa in der neuen Überbauung «Suurstoffi» in der Zuger Gemeinde Risch-Rotkreuz etwa 20 Wohn- und Bürogebäude an das Kühlsystem angeschlossen. Erste Auswertungen zeigen, dass das System gut funktioniert. Es kann die Temperatur um einige Grad senken.
Wenn sehr viele Liegenschaften ihre Wärme in den Untergrund leiten, kann dieser überhitzen.
Settembrini sieht grosses Potenzial in dieser Technik. Sie könne in Zukunft Pflicht werden, um grosse Fensterfronten zu kompensieren. «Wer solche hellen Wohnungen plant, muss bereits im Kopf haben, wie er mit den entsprechenden Temperaturen umgehen kann.»
Untergrund kann überhitzen
Bei der Konferenz der kantonalen Energie-Direktoren (EnDK) will man die Luzerner Studie nun analysieren, wie der stellvertrende Generalsekretär Olivier Brenner sagt. Kühlsysteme wie Geo-Cooling hätten allerdings ihre Grenzen. «Wenn sehr viele Liegenschaften so gekühlt werden und ihre Wärme in den Untergrund leiten, kann dieser überhitzen.» Das habe man teilweise bereits festgestellt.
Deshalb seien bei der EnDK derzeit keine Bestrebungen im Gang, moderne Kühlsysteme bei Neubauten vorzuschreiben, etwa um grosse Fensterfronten zu kompensieren, wie es die Studie anregt.
Sommer 2018 liefert Anschauungsunterricht
Settembrini ist dagegen überzeugt: Steter Tropfen höhlt den Stein. «Je wärmer die Sommer werden, umso mehr sind sich die Leute bewusst, was das für die Zukunft bedeuten kann.» Und dazu habe der Sommer 2018 einigen Anschauungsunterricht geliefert.