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Vaginalimplantate – Gefährlich oder sinnvoll?
Aus Puls vom 25.02.2019.
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Umstrittene Vaginalimplantate Verboten im Ausland, in der Schweiz kein Problem

Netze und Bändchen zur Stabilisierung des Beckenbodens sind sinnvoll – werden sie richtig eingesetzt.

In England protestierten Frauen für ein Verbot von Vaginalnetzen, welche bei Belastungsinkontinenz eingesetzt werden. Während in Australien Netze zur Stabilisierung des Beckenbodens hart in der Kritik stehen.

Denn wegen der Implantate leiden sie höllische Schmerzen. Die Vorwürfe gelten dabei vor allem den Netz-Herstellern und den Behörden, welche diese vorschnell zuliessen.

Während in England mittlerweile tatsächlich ein Verbot ausgesprochen wurde, berichten darüber auch die Schweizer Medien. Hier werden die Netze jedoch weiterhin ohne Bedenken eingesetzt. Diese Diskrepanz verunsichert Patientinnen in der Schweiz.

Wem sollen Schweizer Patientinnen glauben?

Wer eine Operation zur Beckenbodenstabilisierung mit einem Netz vor sich hat, empfindet Angst. Und Trägerinnen von Implantaten erkundigen sich über eine mögliche Entfernung.

Dabei sind die Netze und Bänder mittlerweile ein erprobtes Prinzip, wenn es darum geht die im Alter schwindende Stabilität der Beckenbodenmuskulatur zurückzugewinnen.

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Vaginalnetze sorgen für mehr Stabilität bei einer Beckenbodensenkung.
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Dass die Stabilität des Beckenbodens im Alter abnimmt, ist dabei völlig normal. Denn nach den Wechseljahren führt der Östrogenmangel an den Harn- und Geschlechtsorganen zu einem Gewebsschwund und einer Gebärmutter- oder Scheidensenkung. Dies verursacht Schmerzen und Problemen beim Wasserlassen.

Die verschiedenen Unterleibsimplantate und ihr Einsatz.

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Je nach Schweregrad der Senkung gibt es verschiedene Therapiemöglichkeiten, wobei in erster Linie versucht wird mit konservativen Methoden eine Besserung zu erzielen.

So kann bei einer leichten Absenkung eine Therapie mit östrogenhaltigen Salben oder Zäpfchen oft hilfreich sein. Andernfalls kann eine Senkung durch Beckenbodentraining vorgebeugt oder vermindert werden.

Bei gut 30 bis 40 Prozent der Frauen helfen nach einer gewissen Zeit die konservativen Massnahmen nicht mehr.

Eine Operation steht an. Das Operationsverfahren richtet sich danach, welches Organ sich wie stark gesenkt hat. Das Ziel ist, die abgesunkenen Organe wieder anzuheben und zusätzlich zu befestigen.

So können bei der Beckenbodenabsenkung beispielsweise Netze die Gebärmutter stützen oder eine Schlinge die Belastung der Harnröhre verringern.

Folgende Operationen sollten mit dem Arzt diskutiert werden.

  • Gebärmutterentfernung und Gewebestraffung: Zum Teil kann das Gewebe auch ohne Entfernung der Gebärmutter gestrafft werden. Ein Bauchschnitt ist nötig. Zudem ist die Operationszeit mit drei bis vier Stunden lange und es besteht eine hohe Rückfallquote von ca. 30 Prozent.
  • Sakrokolpopexie: Sie mommt bei einer Senkung im mittleren Bereich des Beckenbodens in Frage. Das Scheidenende oder der Gebärmutterhals werden mithilfe eines Netzes am Kreuz- oder Steissbein befestigt. Die Gebärmutter muss nicht entfernt werden. Dieses Netz wird mit kleinen Schnitten am Bauch meist über die Schlüssellochtechnik eingesetzt und stützt somit die Organe.
  • Vaginalnetz: Das Netz wird über die Vagina hindurch eingesetzt. Es stützt die Blase, je nachdem auch einen Teil der Gebärmutter und/oder den Darm. Die Operationszeit ist zwar kurz, Netze können aber in die Vagina einwachsen und so zu Schmerzen führen. Diese Operationsmethode sollte nur bei Frauen, die sexuell nicht mehr aktiv sind, gewählt werden. So sind sie nicht die Lösung aller Beckenbodenprobleme, füllen jedoch eine relevante therapeutische Lücke.

Diese Methoden werden ganz individuell auf die Patientinnen abgestimmt. Urogynäkologe Gabriel Schär erklärt ihre Vor- und Nachteile im folgenden Video:

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Gabriel Schär erklärt die Vor- und Nachteile der verschiedenen Methoden.
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Doch wie kam es dazu, dass die Netze im Ausland des Teufels sind und in der Schweiz noch immer häufig eingesetzt werden? Verschiedene Schweizer Experten sehen den Grund dafür vor allem in einer lückenhaften und teilweise übertriebenen Berichterstattung durch die Medien.

Netze werden ständig revidiert

Tanja Hülder, Urogynäkologin am Kantonsspital St. Gallen, setzt solche Vaginalnetze seit einigen Jahren erfolgreich ein. So weiss sie gut, dass über die Jahre eine stetige Weiterentwicklung stattgefunden hat. Die Devise bei den Netzen heute ist: So wenig wie möglich, aber so viel wie nötig stützen.

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«Anfangs dachte man, dass man das ganze Becken mit Netzen auskleiden sollte, um genügend Stabilität zu erreichen.»
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Chrisitian Fünfgeld, Gynäkologe aus Tettnang, Deutschland, fügt hinzu, dass gerade in der Anfangsphase die Netze von ungeübten Operateuren eingesetzt wurden. Das führte zu vielen Problemen. Heute habe sich diese Situation jedoch stark verbessert.

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«Die Komplikationen haben deutlich abgenommen über die letzten 20 Jahre. Weil die Netze besser geworden sind, aber auch weil wir Ärzte besser geworden sind.»
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Netze und Bändchen sinnvoll einsetzten

So empfinden die Experten in der Schweiz und Deutschland die Verbote im Ausland als übertrieben.

Gabriel Schär erklärt sich die heftige Reaktion durch den Aufschrei der wenigen Betroffenen und den ausgeübten Druck durch die Medien auf die Gesundheitsbehörden.

Volker Viereck, Urogynäkologe am Kantonspital Frauenfeld, sieht das ähnlich. Auch er empfindet ein Verbot als unangebracht. So wurden beim Einsatz von 44'000 Inkontinenzbändern nur bei etwa 600 Frauen Probleme gemeldet. Das sind weniger als zwei Prozent.

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Die Experten in der Schweiz sind sich einig: Es besteht kein eigentliches Problem mit Unterleibsimplantaten bei Frauen – sofern diese richtig eingesetzt und gut kontrolliert sind.
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Entwarnung für Schweizer Patientinnen

Der Konsens unter den Experten: In der Schweiz besteht kein Problem mit dem Einsatz der Vaginalimplantate. Die Netze werden zureichend kontrolliert und vor allem eine gute Beratung und das sachgemässe Einsetzen durch den Operateur führen zum Erfolg.

So hofft auch Tanja Hülder, dass die Netze hier nicht verboten werden. Denn sie möchte ihren Patientinnen weiterhin alle Optionen anbieten können. Nur so kann eine individuell abgestimmte Behandlung gewährleistet werden.

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«Ich habe Angst davor, dass ich durch ein Verbot, nicht mehr die beste Lösung für mich und meine Patientin auswählen kann.»
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