Erben kann eine Familienbande auf die Probe stellen. Dies ist jedoch keine Geschichte über einen schlimmen Erbschaftstreit, im Gegenteil: Als die Mutter verstarb, waren sich Tochter und Sohn einig, was mit dem kleinen Nachlass passieren soll. Sie lösten das Bankkonto bei der Postfinance auf, räumten die Wohnung ihrer Mutter und kündigten diese. Die Probleme fingen erst an, als sie das Mietkautionskonto bei der Credit Suisse mit einem Formular auflösen wollten.
Das ist für mich einfach kein gesunder Menschenverstand. Alle anderen Dinge konnte man ja ohne einen solchen Erbschein regeln.
Die Bank liess durch die Verwalterin Privera AG ausrichten, dass die Familie einen Erbschein brauche, um das Konto aufzulösen. Dies ist eine offizielle Bescheinigung über alle erbberechtigten Personen. In diesem Fall würde die Erstellung des Erbscheins mehrere hundert Franken kosten. Unverhältnismässig viel für ein Konto, auf dem sich gerade mal 2'000 Franken befinden, findet die Tochter: «Das ist für mich einfach kein gesunder Menschenverstand. Alle anderen Dinge konnte man ja ohne einen solchen Erbschein regeln.»
Sie reicht über die Privera AG alle Dokumente noch einmal ein: Den Auszug aus dem Todesregister, das Familienbüchlein, die Ausweiskopien der Erben sowie ein Schreiben des Notariats der Gemeinde, dass der Nachlass abgeschlossen und die Teilung Sache der Erben ist.
Bank und Verwalterin blocken ab
Sie hört mehrere Monate lang nichts und versucht mehrfach telefonisch bei der Credit Suisse zu erfahren, wie so eine Kontoauflösung allgemein gehandhabt wird – ohne Erbschein: «Doch wegen Datenschutzgründen wollten sie mir keine Auskunft geben. Ich müsse über die Verwaltung gehen.»
Doch auch bei der Privera AG will sich niemand um den Fall kümmern. Bis sich das SRF-Konsumentenmagazin «Espresso» einschaltet. Die Crédit Suisse nimmt mit der Verwaltung Kontakt auf und verlangt von ihr erneut die Unterlagen. Die Erbin muss plötzlich nichts mehr nachreichen, die vorhandenen Unterlagen genügen der Bank nun doch.
Ausserdem entschuldigt sich die Privera AG dafür, dass sie so lange nicht auf Anfragen der hinterbliebenen Tochter reagiert hat. Und sie schreibt: «Dies entspricht nicht unserer Vorgehensweise und wir prüfen intern, woran das lag und werden diesen Umstand in Zukunft verbessern.»
Es gibt auch andere, deutlich günstigere Lösungen
Der ehemalige Richter und Rechtsprofessor Peter Breitschmid versteht grundsätzlich, dass sich eine Bank absichern will mit einem Erbschein. Denn es könne immer sein, dass im Nachhinein noch Erben auftauchen und Geld verlangen würden.
Jeder Erbschein hat nur eine provisorische Wirkung. Er kann für immer gelten – wenn nichts dazwischenkommt.
Doch auch ein Erbschein gebe einer Bank keine hundertprozentige Sicherheit: «Jeder Erbschein hat nur eine provisorische Wirkung. Er kann für immer gelten – wenn nichts dazwischenkommt.» Breitschmid nennt ein sogenanntes Schuldanerkennungs-Schreiben der Erben gegenüber der Bank als einfache und vor allem günstigere Lösung gegenüber einem Erbschein.