Gleich zweimal innert weniger Tage wird ein 38-jähriger Mann mit einer geistigen Beeinträchtigung Ende Januar 2022 vom Telefonmarketing des Schlüsselfunddienstes «JB Services» auf sein Geschäftshandy angerufen. Der Mann arbeitet als Hauswart im Kanton Bern.
Rechnungen, Mahnungen, Inkassoforderungen
Die Telefonverkäufer wollen ihn überzeugen, Schlüsselfundplaketten und entsprechende Klebemarken für sein Handy zu bestellen beziehungsweise den Rücksendedienst gleich für 10 Jahre zu abonnieren. Der Mann erzählt dem SRF-Konsumentenmagazin «Espresso», er habe die Ware nie ausdrücklich bestellt, lediglich mal seine Adresse angegeben. «Das war wohl ein Fehler.»
Prompt erhält er per Post die Plaketten samt Rechnungen, Mahnungen und Mahngebühren. Der Betrag steigt bald auf rund 400 Franken. Schliesslich schaltet sich auch noch die Inkassofirma Intrum ein und der Betrag erhöht sich auf rund 700 Franken. Eine Betreibungsdrohung liegt in der Luft.
Und dies, obwohl sich der Mann mit Hilfe seines Beraters bei der Organisation Pro Infirmis hartnäckig gegen die Forderungen wehrt. In eingeschriebenen Briefen bestreiten sie diese schriftlich, und sie senden die ungewollten Plaketten zurück. Doch die Post sei nicht abgeholt worden, sagt der Pro-Infirmis-Berater.
Rechtsexpertin: «Alles richtig gemacht»
Der Mann und sein Berater hätten an sich alles richtig gemacht, sagt SRF-Rechtsexpertin Gabriela Baumgartner. So wie es aussehe, sei hier kein Vertrag zustande gekommen und die Beiden könnten deshalb einer allfälligen Betreibung gelassen entgegenblicken: «Dann müsste nämlich der Anbieter beweisen, dass er das Geld zu Recht zugute hat.»
Service
Doch so weit kommt es in dieser Geschichte nicht. Als sich «Espresso» bei «JB Services» und Intrum meldet, geht es nicht lange und die Rechnungen werden storniert. Der 38-Jährige muss also nichts bezahlen.
«Es wird keinen Beitrag geben»
Die Geschäftsleiterin des Schlüsselsuchdienstes behauptet aber weiterhin, der Mann habe die Plaketten für den Schlüssel und das Handy explizit bestellt. Und er habe danach nicht von seinem Widerrufsrecht innerhalb von 14 Tagen Gebrauch gemacht. Das könne man beweisen, denn die Telefonverkaufsgespräche seien aufgenommen worden.
«Espresso» möchte die Aufnahmen hören. Die Geschäftsleiterin erklärt, sie sei in den Ferien, spiele sie aber gleich vor, wenn sie zurück sei. Als «Espresso» zurückschreibt man warte in diesem Fall noch ein wenig mit dem Beitrag, kommt ein scharfes Mail zurück: «Es wird keinen Beitrag geben. Sollten Sie dies vorhaben und sich definitiv für einen Beitrag entschieden haben, brauchen Sie nicht zusätzlich Material von mir.» Dazu droht sie, sie werde allenfalls ihren Anwalt einschalten.
Doch keinen tönenden Beweis
In ihrem nächsten Mail tönt es wieder versöhnlicher, aber mit der Aufzeichnung der Verkaufsgespräche will sie nun nicht mehr herausrücken: «Nicht, weil ich sie nicht habe oder sie nicht gut sind, sondern nur deswegen, weil der Fall für uns abgeschlossen ist und gar nicht hätte passieren dürfen.»
Damit dies beim Betroffenen und auch bei allen anderen Mitarbeitenden der Hauswartungs- und Reinigungsfirma nicht wieder vorkommt, hat das Unternehmen nun auf den Geschäftshandys eine Werbesperre aktiviert.