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Verrechnungssteuer: Linke etabliert sich als Vetomacht
Aus Echo der Zeit vom 01.09.2022. Bild: KEYSTONE/Anthony Anex
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Reform der Verrechnungssteuer Die Linke ist in Steuerfragen zur Vetomacht geworden

In der Wirtschafts- und Steuerpolitik wurden die Bürgerlichen von Jägern zu Gejagten. Nun kommt es zum nächsten Showdown an der Urne.

Es ist eine wahre Siegesserie von SP, Grünen und Gewerkschaften:

  • Teilabschaffung der Stempelsteuer: verhindert.
  • Höhere Kinderabzüge für alle Eltern: gebodigt.
  • Der wohl grösste Erfolg: Die Unternehmensteuer-Reform (USR III): ebenfalls gestoppt.

Die Linke habe dazugelernt, sagt Nationalrätin Jacqueline Badran (SP/ZH) stolz. Sie habe gelernt, breite Bevölkerungsschichten anzusprechen: «Bei der USR III sagten wir: ‹Grossaktionäre profitieren – der Mittelstand zahlt!›» Der Slogan sei intern nicht unumstritten gewesen, erinnert sich Badran. Denn viele fanden, «Mittelstand» sei ein Kampfbegriff der Rechten.

«Ich habe damals vehement die Meinung vertreten, dass Mittelstand ein Wort für diejenigen ist, die von ihrer Lohnarbeit leben und jeden Tag arbeiten gehen.»

Stempel eines Steueramtes
Legende: Vor einigen Jahren hätte die Affiche vom kommenden Abstimmungssonntag zur Verrechnungssteuer wenig Spannung versprochen: Ein Ja wäre sehr wahrscheinlich gewesen – schliesslich sind Wirtschaftsverbände und bürgerliche Parteien geschlossen für die Reform. Doch heute ist der Ausgang offen: Die Kritik der Linken findet Widerhall. Keystone | Christian Beutler

Julia Besnier vertritt die Zielscheiben solcher linker Abstimmungsrhetorik. Die Projektleiterin beim Wirtschaftsverband «SwissHoldings» spricht für Konzerne wie Syngenta, Holcim, Nestlé – und spürt ein Misstrauen: «Vielen Schweizern sind die Unternehmen etwas fremd geworden. Man weiss nicht genau, wer dahinter steckt und was sie machen.» Auch bestünde eine gewisse Unsicherheit über die Aktivitäten der Unternehmen im Ausland.

Kritik aus der politischen Mitte

Das tönt nach linker Wirtschaftskritik. Doch wie wurde sie mehrheitsfähig? Der Politologe Lukas Golder kennt als Leiter des Forschungsinstituts GFS Bern die «politische Seele der Schweiz». Er sieht die linken Erfolge in Steuerfragen in einer Linie mit dem Volksmehr zur Konzernverantwortungs-Initiative im vorletzten Jahr.

Die öko-soziale Initiative scheiterte zwar am Ständemehr. Golder spricht dennoch von einer kleinen Sensation. «Seit der Abzocker-Initiative gibt es eine kritische Auseinandersetzung darüber, wie sich Konzerne in der globalen Welt verhalten.» Nun kritisiere man dies auch aus der politischen Mitte heraus. «Globale Verantwortung und Nachhaltigkeit sind wichtige Bedürfnisse, die weit in die Mitte der Gesellschaft reichen», sagt Golder.

Wenn die Botschaft sitzt, dann hat die Linke eine wirtschaftspolitische Vetomacht.
Autor: Lukas Golder Leiter des Forschungsinstituts GFS Bern

Menschen mit guter Bildung, selbstbestimmt, unabhängig, der Nachhaltigkeit verpflichtet – aber nicht per se links: Solche Menschen erreicht die Linke neuerdings in Wirtschaftsfragen, sagt Golder: «Die Grossen erhalten immer mehr Vorteile und Möglichkeiten, der Kleine oder der Mittelstand muss trotzdem bezahlen: Wenn diese Botschaft sitzt, dann hat die Linke eine wirtschaftspolitische Vetomacht.»

Wirtschaftsargumente reichen nicht mehr

Das Problem in der politischen Mitte spürt auch Julia Besnier von «SwissHoldings»: «Bei vielen Abstimmungen hat sich gezeigt, dass die klassischen Wirtschaftsargumente wie die Warnung, dass Arbeitsplätze verloren gehen, nicht mehr ausreichen.»

SwissHoldings versucht es nun bei der Abstimmung über die Verrechnungssteuer mit einer bewusst unaufgeregten Ja-Kampagne. Ein Plakat zeigt eine Handy-App, die ein Update braucht. So selbstverständlich wie beim Handy soll auch die Reform sein.

Über einen Erfolg will Golder nicht spekulieren: «Man muss wieder verstärkt eine Stimmung von rechts schaffen, dass man den Wirtschaftsstandort gemeinsam stärken soll.» Eine solche «Mitmachkampagne» würde die Zivilgesellschaft mit Nichtregierungsorganisationen dagegen erfolgreich betreiben.

Und das könnte ein Grund sein, weshalb die Bürgerlichen in der Wirtschafts- und Steuerpolitik von Jägern zu Gejagten geworden sind.

Echo der Zeit, 01.09.2022, 18:00 Uhr

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