Zum Inhalt springen

10 Jahre Apfelschule Solothurn Wie blinde Menschen dank Smartphones auf Stadtführung gehen

Die Apfelschule Solothurn schult sehbehinderte Menschen im Umgang mit Smartphones. Nicht alle Apps sind selbsterklärend.

Als «Digitalisierung von ihrer schönsten Seite» beschreiben die Initiantinnen und Initianten ihr Geschäftsmodell. Sie meinen damit die Integration blinder und sehbehinderter Menschen, dank der Nutzung von Smartphones. Wie das Smartphone im Alltag durch Blinde genutzt werden kann, lernen Interessierte seit genau zehn Jahren in Kursen der Apfelschule. Zeitung lesen, Fahrpläne abfragen, Orientierung in einer Stadt – das Smartphone nützt auch sehbehinderten Menschen.

Am 14. Februar 2012 wurde die Apfelschule im Kanton Solothurn gegründet, der Name ist in Anlehnung an das iPhone von Apple entstanden. Apple integrierte schon früh Bedienungshilfen für Menschen mit einer Sehbehinderung. Das Ziel der Apfelschule wurde es, dank diesen smarten Technologien blinden Menschen eine Art persönlichen Assistenten zur Seite zu stellen.

Im Vergleich zu früheren Mobiltelefonen haben Smartphones aber keine spürbaren Tasten. Deshalb greifen blinde und sehbehinderte Menschen vor allem auf die Sprachsteuerung der Geräte zu. Der Bildschirm bleibt schwarz, die blinde Person spricht mit dem Gerät und erhält hörbare Antworten. Oder die sehbehinderte Person diktiert dem Gerät den Text für eine E-Mail, und schickt sie los.

Stadtführung auch ganz ohne Augenlicht

An diesem Montag hat die Apfelschule einen Wandertreff für blinde und sehbehinderte Personen in Solothurn organisiert. «Der Kurs richtet sich an Personen, die über gute Grundkenntnisse in der Bedienung des iPhones verfügen und die App ‹MyWay Pro› auf ihrem iPhone installiert haben», heisst es in der Kursausschreibung.

Gruppe an der Aare
Legende: Stadführung per App: Für blinde und sehbehinderte Personen eine Bereicherung im Alltag. Hier wird Solothurn erkundet. SRF

Sandro Lüthi ist 45 Jahre alt, sehbehindert, er sieht alles «wie im Nebel», erklärt er auf dem Rundgang durch Solothurn. Als Geschäftsführer der Apfelschule zeigt er den angemeldeten Kurspersonen, wie man eine Stadtführung per App erlebt. Selbsterklärend sei die entsprechende App nämlich nicht: «Man sieht die App nicht, sie hat aber Menü-Punkte und Tabulatoren, das muss man üben».

Die App ist nicht sichbar, hat aber Menü-Punkte und Tabulatoren, das muss man üben.

«Auf drei Uhr in 173 Metern rechts befindet sich das Naturmuseum», liest die App vor. Sobald der Nutzer das Smartphone auf drei Uhr richtet, vibriert das Gerät und es wird klar, in welche Richtung es weitergeht. «Die Vibration gibt Sicherheit; sie bestätigt, dass man korrekt unterwegs ist», erklärt Lüthi die Technologie.

Hindernisfreie Wanderwege gibt es bereits. Ursprünglich wurden diese für Rollstuhlfahrende erstellt. Für blinde Personen seien diese aber auch sehr geeignet, weil sprichwörtlich nichts im Weg steht. «Wenn wir jetzt einen solchen Weg ablaufen, kann ich diesen per App während des Laufens aufzeichnen, dem Weg einen Namen geben und für weitere Personen zur Verfügung stellen», schwärmt Lüthi.

Portrait
Legende: Links Geschäftsführer Sandro Lüthi, rechts Gründer und Ehrenpräsident der Apfelschule Urs Kaiser. SRF

Apps entdecken – das war der Anfang der Apfelschule. «Dank Spracherkennung können sehbehinderte Personen das Smartphone flüssig bedienen – wie sehende Menschen auch», sagt der Gründer der Apfelschule, Urs Kaiser. Auch er macht mit auf dem Stadtrundgang durch Solothurn. Seit Kaisers Idee für die Apfelschule ist das Kursangebot gewachsen, auch Soziale Medien sind vermehrt ein Thema, und die Android-Kurse werden stetig ausgebaut. Digitalisierung von ihrer schönsten Seite, wie der Verein es eben nennt.

Fakten zum Verein Apfelschule

Box aufklappen Box zuklappen
  • Der Verein wurde 2016 gegründet.
  • Was vor zehn Jahren als One-Man-Show begann, war rasch gefragt. 2016 wurde die Idee professionalisiert, und der Verein Apfelschule entstand.
  • Heute ist das Ausbildungsangebot in der deutschsprachigen und der französischen Schweiz etabliert. Der Verein organisiert Voice-Over-Basiskurse, aber auch Android-Aufbaukurse bis zu Themenkursen zum Thema Wandern, Medien oder soziale Netzwerke.
  • Er ist im Jahr 2020 gewachsen. Aus 210 Mitgliedern wurden bis Ende Jahr 287 Mitglieder. Das ist ein Zuwachs von fast 37 Prozent.
  • Im 2020 führte der Verein gemäss Jahresbericht 44 Kurse vor Ort und 37 virtuelle Kurse durch.
  • Fünf Mitarbeitende führen den Verein.
  • Der Verein wird unter anderem durch Gelder aus Stiftungen, Subventionen des Bundes, Spenden, Kurseinnahmen und Mitgliederbeiträge finanziert. Er ist nicht gewinnorientiert.

Regionaljournal Aargau Solothurn, 14.02.2022, 17:30 Uhr ; 

Meistgelesene Artikel