Das Getrampel kommt langsam näher. Dann flitzen die Rennpferde vorbei. Ein Raunen geht durchs Publikum. Einzelne Jubelschreie sind von den Rängen zu hören. Es könnte 1927, 1978 oder 2022 so gewesen sein. Der Kern der Renntage hat sich nicht verändert.
Dass es in Aarau seit 100 Jahren Pferderennen gibt, hat viel mit der Armee zu tun. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts war Aarau Ausbildungsplatz für die Kavallerie. Pferde gehörten lange zum Stadtbild.
Auf dem Gelände, auf dem sich heute die Pferderennbahn befindet, wurden die Rekruten und Pferde ausgebildet, beispielsweise im Geländeritt. Die erste Rennbahn geht ebenfalls auf die Initiative des Militärs zurück, denn nur auf einer flachen Sandbahn konnten die Rekruten den Galoppritt erlernen und trainieren.
Das erste offizielle Pferderennen in Aarau fand im Mai 1921 statt. Es war ein Offiziers-Jagdrennen für Dienstpferde. Die Rennen waren bereits damals Publikumsmagnete. So schrieb die Neue Zürcher Zeitung von 8000 bis 10'000 Zuschauern.
Während des Zweiten Weltkriegs und kurz danach wurde die Anlage umgebaut zu einer Trainingsanlage für Armeepferde. Dabei entstand die erste permanente Pferderennbahn der Schweiz. Gebaut wurde diese von Soldaten, Bauarbeitern und von internierten ausländischen Soldaten.
Italiener, Polen und Russen halfen das Gelände neben der Aare zu roden und trockenzulegen. Auch eine Tribüne wurde bei der Rennbahn erstellt. Aufgrund der Nähe zur Aare sagt der heutige Präsident des Aargauischen Rennvereins, Pascal Steudler: «Wir haben die schönste Pferderennbahn der Schweiz».
Auf der neuen Bahn fanden fortan jedes Jahr Pferderennen statt. Seit 1948 auch das prestigeträchtigste Rennen der Schweiz, der Grosse Preis der Schweiz. Daneben wurden und werden auf der Anlage Cross-Country-Rennen, Springkonkurrenzen, Dressurwettkämpfe oder Trabrennen abgehalten. 1979 gab es sogar ein – schon damals umstrittenes – Eselrennen.
Die Pferderennen in Aarau waren von Beginn weg ein gesellschaftlicher Anlass. «Wir haben sehr gerne Prominente bei uns, wir freuen uns aber auch über Familien mit Kindern», betont Pascal Steudler. Aarau versprüht nicht denselben Flair wie St. Moritz. Trotzdem darf man sich festlich kleiden.
Dass sich unter dem Publikum auch gutbetuchte Damen und Herren befinden, machten sich Modeunternehmen zunutze. Ab 1948 bis Mitte der 60er-Jahre gab es im Rahmen der Herbstrenntage eine grosse Modeschau.
14 Modehäuser aus Genf und Zürich präsentierten ihre Kleidung im Aarauer Schachen. Die Schuhe stammten dabei von Bally aus dem benachbarten Schönenwerd, weswegen der Anlass den Titel «Bally Modeschau» trug.
Ein fester Bestandteil von Pferderennen ist das Wetten. Auch in Aarau kann seit 1927 auf die Pferde gewettet werden. Einbezahlt wurden 1927 9'695 Franken. Diese Einnahmen stiegen bis zum Rekordtag 29. April 1990. Damals wurden in Aarau 241'537 Franken einbezahlt. Für die Organisatoren eine wichtige Einnahmequelle.
Seit 1990 gehen die Wetteinnahmen allerdings zurück. Heute werden gemäss Aargauischem Rennverein noch etwa 80'000 Franken umgesetzt. Dass die Wetteinsätze eingebrochen sind, liege unter anderem am breiteren Angebot an Glücksspielen.
Die Aarauer Pferderenntage sind heute noch beliebt. Tausende pilgern an den Renntagen zur Rennbahn und warten auf die vorbei galoppierenden Rennpferde, die ihnen auch heute noch ein Raunen entlocken.