Sie stand einige Male vor dem Aus. Finanzielle Probleme, interner Krach. Doch die Zürcher Studierendenzeitung meisterte alle Hürden. 100 Jahre lang. Ihre Geschichte ist lebhaft, teils unruhig, geprägt auch von der gesellschaftlichen Dynamik eines Jahrhunderts.
«Die Zeitung hat über 100 Jahre alle Bewegungen mitgemacht», sagt Michael Kuratli. Er blickt in seinem Buch zurück auf ereignisreiche Zeiten. Oder, wie es der Buchtitel sagt, auf «100 Jahre Zoff».
Schon der Start des «Zürcher Studenten» – so hiess das Blatt bei seiner Gründung 1923 – war unruhig. «1929, nicht spät nach der Gründung, haben Frontisten das Blatt übernommen», erzählt Kuratli. «Das Gefühl, man müsse eine Führung im nationalsozialistischen Stil an der Uni kultivieren, löste Streitigkeiten aus.»
Und so prägte nicht nur das Aufkommen des Faschismus vor dem Zweiten Weltkrieg die Zeitung, es waren auch andere Entwicklungen dieses Jahrhunderts. «Von der 68er- über die 80er-Bewegung bis hin zur Klimabewegung. Überall war man eigentlich Vorreiter», so Kuratli. «Die Zeitung war eine Art avantgardistische Spielwiese.» So etwa benutzten die Redaktorinnen und Redaktoren des Blatts schon in den 1990er-Jahren nur die weibliche Form.
Das Sprachrohr der Studierenden
Die Entwicklung der Gesellschaft spiegelt sich in den Texten der Zeitung – und wurde nun auf 360 Seiten in einem Jubiläumsbuch zusammengetragen: Bilder, Inserate, Pamphlete. Herausgekommen sei ein historisches Dokument, sagt Oliver Camenzind, der am Buch mitgearbeitet hat. «Das Buch ist ein Beweis dafür, dass etwas scheinbar Banales wie eine Studentenzeitung in der historischen Perspektive relevant ist. Es spiegeln sich rückblickend viele populärkulturelle und politische Tendenzen, die wichtig sind und interessant waren.»
Heute ist die «Zürcher Studierendenzeitung» ein unabhängiges Medium, hat eine Auflage von 25'000 Exemplaren und ist – so Michael Kuratli – ein Sprachrohr für die Studierenden. «Die Zeitung wird sehr aufmerksam von Professorinnen und Professoren gelesen, aber auch von der Schulleitung. Sie ist die Stimme der Studierenden, ein politischer Kommentar über das, was an der Uni passiert.»
Deshalb sei die Zeitung auch heute noch von grosser Bedeutung und Wichtigkeit. «Die Studierendenzeitung ist immer die erste Zeitung, die über das berichtet, was an der Uni prekär ist», sagt Michael Kuratli. Sie sei als kritische Stimme unabdingbar. Zumal nicht alle Universitäten über eine solche Zeitschrift verfügten.
Und deshalb ist für beide Herausgeber auch das Buch von Substanz. Es erzähle nicht nur eine 100-jährige, bedeutende Geschichte, sondern es habe bleibenden Wert. «Wir haben zum Jubiläum auch die Digitalisierung angestossen», sagt Kuratli. Dies mit einer Internetseite und Veranstaltungen. Kuratli ist aber überzeugt: «Unsere digitale Internetseite werden wir vermutlich irgendwann abschalten, das Buch aber wird auch in 50 Jahren noch im Regal stehen.» Und somit eine Erinnerung bleiben an eine 100-jährige, emotionale Reise.