Statistisch ist der Befund klar: Nach nur fünf Jahren ist jedes zweite neu gegründete Unternehmen bereits wieder von der Bildfläche verschwunden. Das sei ein beträchtliches Risiko für den Sozialstaat, der die gescheiterten Firmengründer später unterstützen müsse, gab heute Sozialminister Alain Berset im Ständerat zu bedenken.
Sein Argument fand kein Gehör. Wichtiger sei es, den Leuten den Schritt in die Selbständigkeit zu erleichtern. Und manch Jungunternehmer sei beim Start dringend angewiesen auf sein angespartes Geld in der Pensionskasse, so der Tenor im Ständerat.
Michele Blasucci von der Firma Startups.ch in Winterthur berät Firmengründer. Er kann bestätigen: Für eine bestimmte Gruppe sei der Vorbezug des Alterskapitals entscheidend, etwa für einen Maler-, Gipser- oder Coiffeur-Betrieb.
Viele Handwerker haben nur diese Möglichkeit, um einen Betrieb zu starten.
Seiner Erfahrung nach geht die Gründung eines Start-up-Unternehmens in solchen Fällen meistens gut, erklärt Biasucci. Auch sein Coiffeur habe ihm immer gesagt, am liebsten wäre er selbstständig. «Er würde so viel mehr verdienen und hätte viele neue Ideen.» Fünf Jahre später habe dieser Coiffeur drei Angestellte und sei sehr viel zufriedener als früher. Die Pensionskasse habe er mittlerweile wieder aufgefüllt, er verdiene jetzt nämlich fast das Doppelte.
Es gibt schon Erfolgsstorys, wenn auch nur kleine.
Welche Bedeutung haben Startups?
Ins gleiche Horn bläst der Direktor des Schweizerischen Gewerbeverbands, FDP-Nationalrat Hans-Ulrich Bigler: «Es ist gerade in der KMU-Wirtschaft essentiell, dass angehende Unternehmer auf ihr Altersguthaben zugreifen können, um damit die Geschäftstätigkeit zu lancieren.»
Eine andere Frage ist jedoch, ob diese Geldquelle für den Unternehmens-Standort Schweiz und die Innovationskraft der Wirtschaft auch volkswirtschaftlich bedeutend ist. Es gibt viele Firmen, die bei der Gründung auch ohne Pensionskassengeld auskommmen. Wer sich zum Beispiel gleich nach dem Studium mit einer innovativen Technologie selbständig macht, hat in der Regel in der zweiten Säule nur sehr wenig Geld angespart.
Kaum Wirkung auf Innovationen
Solche Firmengründer bekämen das Geld meist von anderswo, sagt Start-up-Experte Peter Stähli. Er war Mitgründer des Swiss Economic Forum (SEF). Heute hilft er innovativen Jungunternehmern bei ihrem Start. «Dort sind die meisten nicht mit ihrer Pensionskasse ins Rennen gestiegen, sondern haben das Startkapital von Freunden oder von der Familie eingebracht.»
Daraus folgt: Für die Innovationskraft der Schweiz ist Pensionskassenvermögen bei Firmengründungen kaum massgebend. Allerdings: Um den einen oder anderen Handwerksbetrieb und Coiffeur-Salon wäre die Schweiz eben doch ärmer ohne die Möglichkeit, einen Teil des Vorsorgekapitals in ein neues Unternehmen zu stecken.