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In Einsiedeln wurde vor 20 Jahre das erste Babyfenster eingerichtet
Aus 10 vor 10 vom 07.05.2021.
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20 Jahre nach Eröffnung Das Babyfenster bleibt eine Notlösung

Es war am 9. Mai 2001 – symbolisch am Muttertag - als im Schwyzerischen Einsiedeln das erste Babyfenster der Schweiz eingeweiht wurde. Die Initiative ging von der christlichen und abtreibungskritischen Stiftung «Schweizerische Hilfe für Mutter und Kind» aus.

Auslöser war der Fall eines Neugeborenen, der zwei Jahre zuvor die Gegend erschüttert hatte. Das ausgesetzte Baby war am Ufer des Sihlsees tot aufgefunden worden.

Das Babyfenster des Spitals Einsiedeln
Legende: Das Babyfenster des Spitals Einsiedeln Keystone

Mittlerweile gibt es neben dem Babyfenster in Einsiedeln sieben weitere in der Schweiz. Seit den Anfängen 2001 sind insgesamt 27 Neugeborene in Babyfenstern abgegeben worden. In der Hälfte der Fälle haben sich die Mütter im Nachhinein gemeldet – sechs von ihnen haben ihr Kind wieder zu sich genommen.

Für Dominik Müggler, Präsident der Stiftung «Schweizerische Hilfe für Mutter und Kind» ist das eine Erfolgsgeschichte: «Es gibt deutlich weniger Kindstötungen und -aussetzungen, seitdem es die Babyfenster gibt.»

Was ist ein Babyfenster?

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Legende: SRF

Ein Babyfenster ist eine Art Schalter an einem diskreten Ort des Spitals. Mütter können ein Fenster öffnen und ihr Baby in ein Wärmebett legen. Nach wenigen Minuten wird ein Alarm ausgelöst, damit sich das Personal um das Baby kümmert.

Die im Babyfenster abgelegten Neugeborenen gelten rechtlich als Findelkinder. Die Kindesschutzbehörde platziert die Kinder und leitet ein Adoptionsverfahren ein.

Im Fenster liegt ein Brief an die Mutter, der ihr Ratschläge und eine Kontaktliste für Hilfsangebote gibt. Wenn sie ihre Meinung ändert, hat sie ein Jahr Zeit, um ihr Baby zurückzufordern.

Obwohl es in der Schweiz nun also bereits seit zwanzig Jahren Babyfenster gibt, bleiben sie weiterhin umstritten. Sie bewegen sich rechtlich im Graubereich: Anonyme Geburten sind eigentlich illegal, weil sie «die Meldepflicht und den Anspruch auf Kenntnis der Abstammung verletzen», wie der Bundesrat in einem Bericht im Jahr 2016 schrieb. Dort steht aber auch: «Die Rettung des Lebens eines Kindes wiegt die Verletzung seines Anspruchs auf Kenntnis der Abstammung bei Weitem auf.»

Die diskrete Alternative

Für werdende Mütter, die sich in einer Notlage befinden, gibt allerdings seit einigen Jahren auch eine Alternative: Die sogenannte vertrauliche oder diskrete Geburt. Bei dieser wird es einer Frau ermöglicht, ihr Kind in einem Spital zu gebären, ohne dass ihr näheres Umfeld etwas davon erfährt.

Der Vorteil von vertraulichen Geburten liegt auf der Hand: Die Frauen müssen die Geburt nicht unter problematischen Umständen alleine zur Welt bringen, sondern profitieren von medizinischer und psychologischer Unterstützung.

«Wenn Frauen im Geheimen, zuhause auf der Toilette oder im Bad oder einfach irgendwie gebären, kann es gefährlich werden für die Mütter und für die Kinder», sagt Jeanette Gröbli, leitende Hebamme in der Frauenklinik Liestal (BL).

Was ist eine vertrauliche Geburt?

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Legende: SRF

Die Idee hinter der vertraulichen Geburt ist, dass der Gebärenden möglichst viel Diskretion gewährt wird. Sie muss zwar ihre Personalien vollständig bekannt geben, kann aber ein Pseudonym oder eine Sperrung im elektronischen Patientendossier erhalten. Das Spital schickt auch beispielsweise keine Korrespondenz an ihre Adresse oder und gibt die Anwesenheit der Frau im Spital gegenüber Dritten nicht bekannt. Sie kann auch in einem Einzelzimmer fernab anderer Mütter untergebracht werden.

Die Mutter kann ihr Kind zur Adoption freigeben. Sie muss dazu die KESB benachrichtigen. Dabei gelten Fristen: Die Freigabe zur Adoption kann frühestens sechs Wochen nach der Geburt erfolgen. Danach hat die Mutter wiederum sechs Wochen Zeit, in der sie die Adoptionsfreigabe widerrufen kann.

Schweizweit gibt es inzwischen fast in allen Kantonen Spitäler, die vertrauliche Geburten anbieten. Trotzdem ist dieses Angebot nicht sehr bekannt und wird von vielen Spitälern auch nicht offensiv kommuniziert.

Auch nicht im Spital Einsiedeln, wo es nicht nur ein Babyfenster gibt, sondern wo auch vertrauliche Geburten möglich sind. Warum hört man wenig davon? «Spitäler sind heutzutage Wirtschaftsunternehmen und deshalb spielen manche soziale Aspekte, die ganz wichtig sind, vielleicht nicht so eine Rolle, wie sie spielen sollten», räumt Spitaldirektor Michael Mehner ein.

Das Babyfenster ist eine niederschwellige Option und sollte auch in Zukunft zur Verfügung stehen.
Autor: Michael Mehner Direktor Spital Einsiedeln

Er steht aber nach wie vor klar für das Babyfenster ein, denn es gebe Mütter, die nicht in der Lage seien, sich für eine vertrauliche Geburt zu entscheiden. «Das Babyfenster ist für diese eine niederschwellige Option und sollte auch in Zukunft zur Verfügung stehen.»

Sicher ist: Der Entscheid einer Mutter, ihr Neugeborenes anonym abzugeben, ist einschneidend – und häufig mit starken Schuldgefühlen verbunden. So erzählte es auch eine Frau gegenüber der SRF-Sendung Puls. Sie erinnert sich an die Busfahrt zum Spital, wo sie ihr Baby ins Fenster legte: «Das war eine Situation, in der ich am liebsten losgeheult hätte.»

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Eine Mutter erzählt
Aus Puls vom 13.01.2020.
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10vor10, 07.05.2021, 21:50 Uhr;

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