Es war am 9. Mai 2001 – symbolisch am Muttertag - als im Schwyzerischen Einsiedeln das erste Babyfenster der Schweiz eingeweiht wurde. Die Initiative ging von der christlichen und abtreibungskritischen Stiftung «Schweizerische Hilfe für Mutter und Kind» aus.
Auslöser war der Fall eines Neugeborenen, der zwei Jahre zuvor die Gegend erschüttert hatte. Das ausgesetzte Baby war am Ufer des Sihlsees tot aufgefunden worden.
Mittlerweile gibt es neben dem Babyfenster in Einsiedeln sieben weitere in der Schweiz. Seit den Anfängen 2001 sind insgesamt 27 Neugeborene in Babyfenstern abgegeben worden. In der Hälfte der Fälle haben sich die Mütter im Nachhinein gemeldet – sechs von ihnen haben ihr Kind wieder zu sich genommen.
Für Dominik Müggler, Präsident der Stiftung «Schweizerische Hilfe für Mutter und Kind» ist das eine Erfolgsgeschichte: «Es gibt deutlich weniger Kindstötungen und -aussetzungen, seitdem es die Babyfenster gibt.»
Obwohl es in der Schweiz nun also bereits seit zwanzig Jahren Babyfenster gibt, bleiben sie weiterhin umstritten. Sie bewegen sich rechtlich im Graubereich: Anonyme Geburten sind eigentlich illegal, weil sie «die Meldepflicht und den Anspruch auf Kenntnis der Abstammung verletzen», wie der Bundesrat in einem Bericht im Jahr 2016 schrieb. Dort steht aber auch: «Die Rettung des Lebens eines Kindes wiegt die Verletzung seines Anspruchs auf Kenntnis der Abstammung bei Weitem auf.»
Die diskrete Alternative
Für werdende Mütter, die sich in einer Notlage befinden, gibt allerdings seit einigen Jahren auch eine Alternative: Die sogenannte vertrauliche oder diskrete Geburt. Bei dieser wird es einer Frau ermöglicht, ihr Kind in einem Spital zu gebären, ohne dass ihr näheres Umfeld etwas davon erfährt.
Der Vorteil von vertraulichen Geburten liegt auf der Hand: Die Frauen müssen die Geburt nicht unter problematischen Umständen alleine zur Welt bringen, sondern profitieren von medizinischer und psychologischer Unterstützung.
«Wenn Frauen im Geheimen, zuhause auf der Toilette oder im Bad oder einfach irgendwie gebären, kann es gefährlich werden für die Mütter und für die Kinder», sagt Jeanette Gröbli, leitende Hebamme in der Frauenklinik Liestal (BL).
Schweizweit gibt es inzwischen fast in allen Kantonen Spitäler, die vertrauliche Geburten anbieten. Trotzdem ist dieses Angebot nicht sehr bekannt und wird von vielen Spitälern auch nicht offensiv kommuniziert.
Auch nicht im Spital Einsiedeln, wo es nicht nur ein Babyfenster gibt, sondern wo auch vertrauliche Geburten möglich sind. Warum hört man wenig davon? «Spitäler sind heutzutage Wirtschaftsunternehmen und deshalb spielen manche soziale Aspekte, die ganz wichtig sind, vielleicht nicht so eine Rolle, wie sie spielen sollten», räumt Spitaldirektor Michael Mehner ein.
Das Babyfenster ist eine niederschwellige Option und sollte auch in Zukunft zur Verfügung stehen.
Er steht aber nach wie vor klar für das Babyfenster ein, denn es gebe Mütter, die nicht in der Lage seien, sich für eine vertrauliche Geburt zu entscheiden. «Das Babyfenster ist für diese eine niederschwellige Option und sollte auch in Zukunft zur Verfügung stehen.»
Sicher ist: Der Entscheid einer Mutter, ihr Neugeborenes anonym abzugeben, ist einschneidend – und häufig mit starken Schuldgefühlen verbunden. So erzählte es auch eine Frau gegenüber der SRF-Sendung Puls. Sie erinnert sich an die Busfahrt zum Spital, wo sie ihr Baby ins Fenster legte: «Das war eine Situation, in der ich am liebsten losgeheult hätte.»