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20 Jahre Biosphäre Entlebuch
Aus Regionaljournal Zentralschweiz vom 17.09.2021. Bild: srf
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20 Jahre Unesco-Label Biosphäre Entlebuch: «Vom Armenhaus zur Vorzeigeregion»

Vor 20 Jahren bekam das Entlebuch das Label «Unesco Biosphäre». Mittlerweile ist das Label bekannt und die Produkte sind bei den Grossverteilern angekommen. Die anfängliche Kritik ist weitgehend verstummt, auch wenn die Umweltverbände nicht nur glücklich sind.

Das Entlebuch liegt im Westen des Kantons Luzern – im «wilden Westen», wie die Entlebucherinnen und Entlebucher ihre Region selbst gerne bezeichnen. Im Entlebuch, da ticken die Menschen ein bisschen anders als im übrigen Kanton. Und sie haben eine «wilde» Natur. Fast die Hälfte des Entlebuchs besteht aus Moorlandschaft – es sind die grössten Moorvorkommen der Schweiz.

Hochmoor Salwidili im Entlebuch. Eine Moorlandschaft und im Hintergrund Berge.
Legende: Fast die Hälfte des Entlebuchs besteht aus schützenswerten Flach- und Hochmooren.Im Bild das Hochmoor Salwidili. Bild Franz Portmann

Die Geschichte des Biosphärenreservats Entlebuch beginnt mit einem Volksentscheid. Am 6. Dezember 1987 stimmte das Schweizer Stimmvolk für die «Rothenthurm-Initiative» und damit für den Schutz der heimischen Moorlandschaften. Für das Entlebuch hiess das: Nach Annahme der Rothenturm-Initiative war plötzlich ein grosser Teil des Entlebuchs geschütztes Gebiet. Theo Schnider, Direktor der Biosphäre Entlebuch, erinnert sich an die schwierige Situation. «Das Entlebuch war damals das Armenhaus der Region, die Angebote waren nicht mehr am Puls der Zeit.» Die Rothenthurm-Initiative habe die Entwicklung zusätzlich erschwert und «so mussten wir uns etwas einfallen lassen».

An einer Versammlung wurde ich gefragt, ob man im Entlebuch künftig nur noch Rüebli essen dürfe.
Autor: Theo Schnider Direktor der Unesco Biosphäre Entebuch
Porträtbild von Theo Schnider
Legende: Der Mitentwickler und heutige Direktor der Unesco Biosphäre Entlebuch, Theo Schnider. srf

Schniders Idee war es dann, aus der Not eine Tugend zu machen. Konkret: Den verstärkten Moorschutz als Chance zu nutzen für die strukturschwache Region. Dazu gründete Schnider zuerst ein «Moorkompetenzzentrum» und dann, nach unzähligen Gesprächen und Verhandlungen, das «Biosphärenreservat Entlebuch».

Was ist ein Biosphärenreservat?

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Der Begriff «Biosphärenreservat» ist zusammengesetzt aus «Biosphäre» (Lebensraum) und «Reservat» (bewahren). Es geht also darum, Lebensräume für Natur und Mensch zu bewahren – und zwar besonders wertvolle und schützenswerte. Seit 1976 zeichnet die Unesco weltweit solche Kulturlandschaften aus.


Ökologisch und Nachhaltig

Biosphärenreservate leisten einen Beitrag zur Erhaltung von Landschaften, Arten und Vielfalt. Sie fördern zudem eine wirtschaftliche und kulutrelle Entwicklung, die nachhaltig ist. Das Entlebuch repräsentiert im weltweiten Netz der rund 700 Biosphärenreservate die voralpine Moorlandschaft und gilt heute als eigentliche Vorzeigeregion der Unesco.

Unter diesem Label vereinte das Entlebuch künftig die Moorlandschaft, die regionalen Produkte und die touristischen Angebote. Im September 2001 erhielt das Entlebuch als erste Biosphäre der Schweiz eine offizielle Zertifizierung der Unesco. Seitdem verpflichtet sich die Region nun auch offiziell für eine nachhaltige Entwicklung, bei welcher der Erhalt einer vielfältigen Natur und Kultur und einer innovativen Regionalwirtschaft im Vordergrund ihres Tuns stehen.

Eine Kapelle thront auf einem Hügel in grüner Napf-Landschaft.
Legende: 17'000 Personen wohnen in den sieben Gemeinden des Entlebuchs. Geprägt ist die Region durch die 850 Ladwirtschaftsbetriebe. Bild: Franz Portmann

Bis es so weit war, musste Theo Schnider viel Überzeugungsarbeit leisten. Bei den Bauern, bei den Jägern, aber auch bei den Touristikern war eine Abneigung zu spüren. «Sie befürchteten durch die Biosphäre noch mehr Schutz und Vorschriften. An einer Versammlung wurde ich gefragt, ob man im Entlebuch künftig nur noch Rüebli essen dürfe», erinnert sich Schnider.

Bekannt in der ganzen Schweiz

Die Akzeptanz bei der Bevölkerung kam dann aber relativ schnell mit den ersten Erfolgen. Peter Hofstetter, der Entlebucher Schafmilch anbietet, war damals einer der Kritiker. Heute ist er zufrieden: «Die Biosphäre hat sich gut entwickelt, die Vermarktung unter einem gemeinsamen Label funktioniert und es gibt mehr sanften Tourismus in der Region.»

Pro Natura ist nicht nur glücklich

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Nicht nur glücklich mit der Entwicklung der Biosphäre Entlebuch sind die Umweltorganisationen wie etwa Pro Natura. Schwierig sei insbesondere der Spagat zwischen touristischen Interessen und dem Naturschutz: «Die Vermarktung der Region steht im Vordergrund, während eine auf den langfristigen Erhalt von Natur- und Landschaftswerten ausgerichtete Entwicklung fehlt», sagt Samuel Ehrenbold, stellvertretender Geschäftsführer von Pro Natura Luzern.


Zustand der Moore wird schlechter

Zwar sei die Zusammenarbeit mit der Unesco Biosphäre nicht schlecht. Doch es komme oft zu Meinungsverschiedenheiten. Beim Bau von Anlagen wie Skilifte, Zufahrtsstrassen oder Parkplätzen würden Natur und Landschaft noch zu stark beeinträchtigt. Und auch Freizeitaktivitäten wie Biken oder Gleitschirmfliegen führe in vielen Fällen zum Konflikt mit den Ansprüchen der Wildtiere.

Der Zustand der Schweizer Moore habe sich in den letzten Jahrzehnten weiter verschlechtert und umfangreiche Schutz- und Renaturierungsmassnahmen seien dringend nötig. «Gerade auch beim Schutz der Moore und der Moorlandschaft würden wir von der Biosphäre Entlebuch eine aktivere Rolle erwarten», so Ehrenbold.

Einige Zahlen zeigen den Erfolg: Heute produzieren 50 verschiedene Produzenten insgesamt 500 verschiedene Biosphäre-Produkte. 80 davon sind beim Grossverteiler Coop erhältlich. Die jährliche Tourismus-Wertschöpfung stieg um 5.5 Millionen Franken. Das Entlebuch ist bekannt: Rund 800 Medienartikel erscheinen pro Jahr zur Unesco Biosphäre Entlebuch.

Regionaljournal Zentralschweiz; 19.09.2021; 17.30 Uhr;

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